“Auf einen Schlag war das Eis zu Ende”

4 November 2010 Text: Manuel Ort
Foto: Darren & Janet Metcalfe / Metcalfe Photography

Als Nick Latta vor 17 Jahren im tiefsten Bayern das Licht der Welt erblickte, stand vermutlich eines schon ziemlich früh fest: Er würde mal Eishockeyspieler werden. Warum? Der Vater von Nick ist Ken Latta – ein Kanadier der bereits mitte der Achziger-Jahre nach Deutschland gekommen war und mittlerweile den ESV Kaufbeuren in der 2 Liga trainiert. Wie es sich also für einen kanadischen Jungen gehört, begann Nick in seinem Heimatort Peiting früh mit dem Eishockeyspielen. Sein Talent war unübersehbar und so wechselte er bereits in jungen Jahren zum ESV Kaufbeuren, über den er dann zum SC Riessersee in die dortigen DNL-Mannschaft kam.

Draft per Bewerbungsvideo

Bereits mit 13 Jahren fiel Nick den Scouts in Übersee zum ersten Mal auf. Beim Heimaturlaub mit seinen Eltern in Kanada, die Eishockeyausrüstung natürlich im Gepäck, hatte er mit seinem Cousin immer im örtlichen Eisstadion Eishockey gespielt. Ein Freund seines Onkels, der Scout für die London Knights ist, sah ihn spielen und notierte sich daraufhin seinen Namen. In Kanada ist es nicht unüblich das die Scouts der Vereine sich aus Prinzip die Kinder der Spieler ansehen, die bereits selber in der OHL die Schlittschuhe geschnürt haben – im Falle Ken Latta`s waren das die Sault Ste. Marie Greyhounds. Im letzten Jahr gelangen Nick dann 31 Tore in 34 Spielen für die DNL-Mannschaft des SC Riessersee – das blieb in Kanada natürlich nicht im Verborgenen. Inzwischen bei mehreren Scouts auf dem Zettel stehend, bat man um eine Art “Bewerbungsvideo”. Die ansässigen Scouts waren überzeugt und im CHL-Entry-Draft 2010 war es dann soweit -  Nick wurde an 2. Stelle in Runde #2 gedraftet

Schule geht vor

Ursprünglich war geplant, dass er bereits ein Jahr früher den Sprung über den großen Teich wagt – der Schulabschluss in Deutschland hatte aber Vorrang und so ging es erst in dieser Saison mit Sack und Pack auf große Reise. Im Moment lebt der junge Center bei seinen Verwandten direkt in Sarnia. Die aktuelle Saison ist inzwischen auch schon 15 Spiele alt und Nick konnte sich bereits vier Mal in die Torschützenliste eintragen – er scheint angekommen zu sein – auch wenn er, trotz kanadischem Pass, immer noch der Bayer ist, der “rübergemacht” hat.

STARTING6 wird Nick Latta durch die aktuelle Saison begleiten – er wird uns seine Eindrücke schildern und uns hautnah miterleben lassen, was es heisst, in der wohl besten Juniorenliga der Welt bestehen zu müssen.

>> Hallo Nick, wie immer bei STARTING6 bekommst auch du die übliche Warmup-Frage. Bei was stören wir dich grad?

Eigentlich stört ihr mich gerade gar nicht. Wir haben heute noch ein Spiel und ich bin berade dabei mich auszuruhen und auf das Spiel vorzubereiten.

>> Du bist jetzt inzwischen knapp zwei Monate in Nordamerika und wohnst dort bei deinen Verwandten. Wie gefällt es dir bis jetzt?

Mir gefällt es hier sehr gut. Viele nette Leute, die Stadt ist sehr schön, aber alles in allem ist es schon ein bisschen anders als zu Hause in Deutschland. Das ich hier Verwandte habe, macht das Ganze natürlich viel einfacher – allgemein war der Transfer von Deutschland nach Kanada viel einfacher, als ich mir das vorgestellt habe.

>>Beste Voraussetzungen also um professionell Eishockey spielen zu können, oder?

Ja – auf jeden Fall. Es ist unglaublich wichtig, dass man sich wohl fühlt, vor allem wenn man so weit von zu Hause weg ist. Das ist hier eindeutig der Fall.

>> War es reiner Zufall das du nach Sarnia kamst, wo du ja Verwandte hast, oder konnte man das irgendwie “steuern”?

Das war eigentlich kein Zufall. Wir hatten ein Fünf-Nationen-Turnier mit der Nationalmannschaft in Füssen und Bill Abercombie (Vize-Präsident von Sarnia Sting, d. Red.) war damals zum scouten hier in Deutschland. Man hat mir nach dem Turnier eigentlich schon zu 100% versichert, dass sie mich aussuchen werden. Im Juli war es dann soweit und sie haben mich gezogen.

>> Was war das für ein Gefühl in die beste Juniorenliga der Welt gedraftet zu werden?

Der Draft war ja irgendwann am Abend in Nordamerika, d.h. es war mitten in der Nacht bei uns. Mein Dad hat mich dann, ich glaube es war um drei Uhr früh, geweckt und mir erzählt, das und wo ich gezogen wurde. So richtig realisiert habe ich das aber auch erst am Tag danach, aber da war es schon ein super Gefühl.

>> Du hast ja neben dem Deutschen auch einen kanadischen Pass – wie stolz war dein Papa das du jetzt in seine Heimat gehst um dort Eishockey zu spielen?

Er war schon sehr sehr stolz auf mich – hat mir aber auch gleich wieder ins Gewissen geredet:  “Die harte Arbeit geht jetzt erst richtig los”.

>> Dein Papa hat ja selber auch viele Jahre als Profi gespielt, ist jetzt Trainer in der 2. Bundesliga und hat diesen Sommer seine A-Lizenz gemacht – Fluch oder Segen?

Auf jeden Fall ein Segen. Er ist natürlich super wenn der Vater so viel Erfahrung hat. Er hat ja selber als Eishockeyspieler so ziemlich alles durchgemacht und kann mir so auch viel von seiner Erfahrung weitergeben. Das hilft auf jeden Fall.

>> Zurückblickend auf die Zeit in Deutschland und dem jetzigen Vergleich. Wie “anders” ist das Training und die Bedingungen im Mutterland des Eishockeys?

Also das Training ist gar nicht so anders. Jeder Trainer hat, wie auch zu Hause, ein System, das er spielen möchte und so wird dann auch trainiert. Das “Drumherum” ist natürlich sehr professionell – angefangen bei den Betreueren, den Fanbeauftragten oder dem medizinischen Personal. Eigentlich kann man es mit einer Profimannschaft vergleichen. Wir haben eine große Leinwand in der Kabine, auf der wir Spiele analysieren. Wir haben natürlich einen eigenen Kraftraum, Entmüdungsbecken und alles was man fürs Eishockey braucht. Vor allem: Es ist immer alles griffbereit.

>> Wir wurdest du vom Verein und deinen Mannschaftskollegen aufgenommen als du in Sarnia ankamst?

Ich bin natürlich sehr gut aufgenommen worden und es macht bisher auch einen riesen Spass hier zu spielen. Auch wenn ich einen kanadischen Pass habe, ich bin hier immer noch “Der Deutsche” – erst wenn sie nachfragen kommt dann: “Der Bayer”. (lacht)

>> Wir bei STARTING6 haben ja gute Quellen – diese haben uns berichtet das du trotz deines kanadischen Passes als Ausländer gilst. Wieso denn das?

Ja – das ist richtig. Soweit ich weiss, liegt das daran, dass meine Eltern beide nicht in Kanada wohnen und ich noch nie im Jugendbereich dort gespielt habe. Es gibt aber wohl ein paar Ausnahmen und es wird momentan daran gearbeitet, dass ich bald als Kanadier auflaufen kann

>> Was würde sich für dich ändern, wenn du nicht mehr als Ausländer gelten würdest?

Ich denke das ich dann befreiter aufspielen könnte – der Druck auf die “Ausländer” hier ist sehr hoch, da ja auch nur zwei Stück pro Mannschaft erlaubt sind. Man erwartet hier von einem Ausländer natürlich dementsprechend einfach mehr – ähnlich wie hier in Deutschland bei den Profi-Mannschaften. Für unsere Mannschaft wäre es natürlich auch von Vorteil wenn ich Kanadier wäre, dann könnte man noch einen weiteren Ausländer dazu holen.

>> Wie waren deine ersten sportlichen Eindrücke bei den bisherigen Spielen – auch im Vergleich zum deutschen Eishockey das du bisher kanntest?

Als ich hier das erste Mal auf dem Eis gestanden bin, bin ich hinter dem Tor fast in der Tribüne gelandet – das war einfach so klein und auf einmal zu Ende (lacht). Aber im Ernst: Durch die kleinere Eisfläche ist es viel schneller und körperbetonter – hier fährt jeder immer seine Checks zu Ende. Für mich ist das hier das “wahre” Eishockey – wenn man das so sagen darf. Es macht auf jeden Fall eine Menge Spass.

>> Apropos Unterschiede – ihr habt in der OHL auch ein paar mehr Zuschauer. Erzähl mal wie verrückt die Canadier auch auf Junioren-Hockey sind…

Die Kanadier sind sehr heiß auf Junioren-Eishockey – es kommen im Durchschnitt zwischen 2.000 und 7.000 Fans zu den Spielen – je nach Stadt und Stadiongröße. Aber die Fans dort sind auch ein bisschen anders als hier – es gibt keine Trommeln, keine Fangesänge – hier wirds nur richtig laut wenn ein Tor fällt, es einen harten Check gibt oder gefightet wird. Anfangs war ich zwar vor jedem Spiel nervös aber inzwischen ist es ein bisschen zur Routine geworden und es macht auch richtig viel Spass.

>> Fights? Schon den ein oder anderen gehabt?

Nein – noch nicht bisher.

>> Feigling? (lacht)

Nein (lacht). Aber ich bin auch nicht hier rüber gekommen um den “tough guy” zu spielen. Aber sollte es mal dazu kommen, dann werde ich den Schwanz nicht einziehen… (lacht)

>> Nick, wir bedanken uns für das Interview und weil du so brav geantwortest hast, darfst du noch jemanden grüßen wenn du möchtest?!

Bitte gerne. Ich möchte gerne meine Eltern, meinen Bruder und alle die mich kennen grüßen. Und noch ein spezieller Gruß an die zwei “Doagaden” (Bayrisch für “teigig”. d. Red.) vom ESV Kaufbeuren – Bernhard “Ignaz” Ebner und Marco Habermann.


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Ein Kommentar »

  • ken said:

    good job Manu,yes,I am proud and the article is done well,thanks.

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