Kontroverse Kassel Huskies

31 August 2010 Text: Björn Fricke
Foto: dierk schäfer / flickr.com

Nach dem Kölner Urteil ist vor dem nächsten Eklat. Wo viele dachten das Kapitel Profi-Eishockey in Kassel wäre für die kommende Saison und nähere Zukunft abgeschlossen, bringt ein Zitat aus Crimmitschau neues Leben in den gebeutelten Club: Ein ESBG-Seiteneinstieg der insolventen Huskies-GmbH. Ein rotes Tuch für viele Eishockeyfans anderer Vereine. Für Huskie-Fans der letzte Strohhalm. Während in der Ost-Slowakei einsam und verlassen zwanzig Eishockeyprofis ungewiss in ihre Zukunft blicken, bricht in Eishockey-Deutschland Genugtuung aus. Der Bus DEL ist endgültig für die Huskies abgefahren, auch die Mannschaft sitzt erst einmal in Kosice fest und wartet auf Neuigkeiten aus der Heimat. Es muss eine schlimme Situation für die Profis und ihre Familien gewesen sein, doch das Mitleid hält sich beim nicht bezahlten Busunternehmer in Grenzen. Selbes gilt für den Großteil der Eishockeyrepublik. Zu groß ist der ideelle und finanzielle Schaden, den Herr Westhelle mit seinem juristischen Kreuzzug und Kampf ums Überleben der Huskies dem deutschen Eishockey angetan hat. Ein entrüstet leer abfahrender Bus-Unternehmer ist momentan einfach nicht die größte Sorge und erst recht nicht der wichtigste Gläubiger in Nordhessen.

Doch kaum einen Tag später fördern zwei gemachte Aussagen eine Debatte zu Tage, die viele Zweitligafans zur Weißglut treibt. Erst spricht sich DEB-Offizieller Reindl für einen Erhalt des Profi-Eishockeys in Kassel aus und bereitet so die Bühne für einen sächsischen Vorstoss aus Crimmitschau zur Verwunderung aller “Pro Kassel Huskies in der zweiten Bundesliga”. Es dauert nicht allzu lange für diese Nachricht um Wellen durch Eishockeydeutschland, seine Forenlandschaft und die Presse zu schlagen. Die Debatte um die Zukunft der Kassel Huskies brennt lichterloh. Die Meinungen sind harsch und reichen von klaren Abstandserklärungen durch ESBG-Clubs und deren Fans, zu vereinzelten Für-Stimmen. Die Stimmungslage ist gereizt, vieles dreht sich um zwei zentrale Fragen.

STARTING6 versucht diese beiden zentralen Punkte der Debatte um die Aufnahme der Huskies einmal so nüchtern es geht zu beleuchten und zu bewerten. Wir wollen damit weder Stimmung machen, noch Meinungen beeinflussen. Uns geht es lediglich darum zu hinterfragen, wieso überhaupt eine Änderung der ESBG-Statuten diskutiert wird.

Warum möchten ESBG-Clubs die insolventen Huskies in der zweiten Bundesliga haben?

Was macht die Huskies interessant für einige Clubs? Diese Frage ist einfach zu beantworten. Es geht ums Geld. Fragt man die verantwortlichen Fürsprecher der Schlittenhunde wird man jede Menge political correctness hören, wie z.B. “Wir wollen für die tollen Fans der Huskies ihren Standort retten”. Übersetzt heisst das nichts anderes als ihr bringt Geld in unser Stadion. Es mag sicherlich einige Verantwortliche geben die eine Portion ehrliches Mitleid haben, jedoch fragt man sich warum dieses nicht auch die Fans aus Duisburg, oder Frankfurt verdient gehabt hätten. Wo waren damals die Fürsprecher?

Warum ausgerechnet für die Huskies Diskussion über die Änderung der ESBG-Aufnahme-Statuten?

Diese Frage ist schwerer zu beantworten. Zunächst muss man sich erst einmal bewusst werden, dass die Huskies der dritte Fall dieser Art in der jüngeren Vergangenheit sind. So erwischte es vorletzte Saison den Club Duisburger Füchse und seinen ähnlich wie Herrn Westhelle die Eishockeywelt polarisierenden Geschäftsführer und Geschäftsmann Ralf Pape. Auch Pape ging damals keineswegs mit der Liga konform, sondern eckte durch diverse Aktionen mit vielen anderen Gesellschaftern an. Da waren unter anderem die Vertragsauflösungen mit hochbezahlten Spielern während der Saison, die Vorwürfe zur Wettbewerbsverzerrung durch die Duisburger laut werden liessen. Zu sicher war der Unternehmer damals zumindest in die zweite Liga aufgenommen zu werden. Doch die ESBG zeigte mit Hinweis auf die eigenen Statuten dem Duisburger Aufnahme-Antrag die kalte Schulter.

Diese Saison stürzten dann bekanntlich auch noch die Frankfurter Lions aus der DEL direkt ins Nirgendswo. Im Gegensatz zu den Huskies akzeptierte und fügte man sich hier in sein Schicksal und unterliess jegliche juristischen Möglichkeiten gegen den Ausschluß aus einer Gemeinschaft der Unwilligen vorzugehen. Man verstand das man nicht gewollt war und als Risiko für alle anderen Mitglieder angesehen wurde und trat den schweren Gang in die vierte Liga mit erhobenem Kopf an. Wie wütend momentan die Frankfurter Fans sein dürften, wenn sie von ESBG-Offiziellen Aussagen Pro Huskies hören, während sie gerade ihr eigenes Profi-Eishockey sogar mit von Fans bezahlter Gedenktafel zu Grabe tragen, möchten wir gar nicht bewerten.

Nun verbleibt die berechtigte Frage warum die Statuten ausgerechnet für die sich bis vor zwei Wochen nichtmal mit der 2. Liga als Ausweichmöglichkeit befassenden Huskies geändert werden sollen. Denn das müssten sie. Der Kooperationsvertrag zwischen DEL, DEB und der ESBG macht deutlich klar das ein DEL-Club zur Aufnahme in den ESBG-Bereich das von der ESBG vertraglich festgelegte Lizenzierungsverfahren erfolgreich durchlaufen haben muss und zudem eine Bürgschaft in Höhe von 100.000 Euro zu zahlen hat. Meldeschluß zum Lizenzierungsverfahren war jedoch der 30.04.2010. Der ESBG-Gesellschafter-Vertrag sieht für eine Änderung der Statuten eine dreiviertel Mehrheit als bindend vorraus. Mehrere Zweitliga-Clubs haben inzwischen ihr Veto zur Aufnahme der Huskies deutlich gemacht, so konnte man u.a. aus Bremerhaven und Heilbronn deutliches lesen.

Man muss kein Hellseher sein was eine Statutenänderung für Konsequenzen für die Zukunft des deutschen Eishockeys hätte. Es wäre lediglich die erste von vielen Extrawürsten die aus finanziellen Gründen geschlossen würde. Es würde zum endgültigen Chaos führen, die ESBG-Satzung wäre das Papier nicht mehr wert auf dem sie gedruckt wurde sobald ein Club seine Lobbyarbeit gewissenhaft in eigener Sache erledigt.

Die Huskies tun dies momentan gewissenhaft. Geschäftsführer Westhelle räumte seinen Posten und machte zumindest theoretisch den Weg frei für ein Umdenken in Richtung zweite Liga. Die Fans der Huskies ergriffen verständlicherweise auch sofort den Strohhalm und versuchen das ramponierte Image wiederherzustellen und wenden sich an die Zweitliga-Vereine als Bittsteller. Inzwischen wenden sich sowohl der Bürgermeister Kaiser in einem offenen Brief,  sowie der Vorsitzende des Stammvereins EJK Kassel in einem Bittschreiben an die Geschäftsführer der Zweitligavereine. So bleibt zumindest die Debatte vorerst am Leben, bis sich die ESBG als Ganzes zur Sache äußert. Dies wird vorrausichtlich wohl am 6. September 2010 passieren. Auf der ESBG-Sitzung an diesem Tage wird auch das Thema Kassel zur Tagesordnung gehören.

Das Eingliedern von Clubs ohne sportliche oder lizenzrechtliche Legitimation ist leider ein viel zu oft in der Geschichte vorgekommendes Ereignis, als das man diese Debatte einfach vom Tisch wischen kann trotz offensichtlicher Veto-Punkte. Kaum ein Club im deutschen Profi-Eishockey hat noch nicht den “grünen Tisch” erlebt.

Die deutsche Eishockeywelt ist kein auf Gerechtigkeit gebautes Gebilde. Dieses ist zumindest das Fazit, was man leider wieder ziehen muss aus dieser Debatte um einen Club, der bis zum Äußersten und darüber hinaus ging, um nicht selbst vor die Hunde zu gehen.

Ein Argument für die Aufnahme das oft genannt wird ist die Aufstockung der zweiten Liga auf vierzehn Vereine. Da bleibt jedoch die berechtigte Frage wieso es ausgerechnet die Huskies sein sollen. Auf diese Frage gibt es keine moralisch vertretbare Antwort. Somit lassen wir sie auch unbeantwortet und schließen mit einem bekannten Zitat: Wenn du dein Gegenüber nicht siehst kannst du unparteiisch und fair rechtsprechen.


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3 Kommentare »

  • munta said:

    gefällt mir! Ohne jegliche Vorverurteilung geschriebener Artikel, der angenehm ausgleichend die Probleme beider Seiten darstellt und würdigt.

    Weiter so, ihr seid auf dem richtigen Weg der EHN irgendwann den Rang abzulaufen!

  • marco said:

    Sehr gut, endlich mal wieder ein ernster Artikel. Euer Humor der letzten Wochen war nämlich schon arg ausgeleiert.

  • Björn Fricke (author) said:

    Wir versuchen es zu mischen, jeder soll sich seine Portion STARTING6 nach eigenem Gusto zusammenlesen. ;)

    Aber Vorsicht, ab Montag regnet es wieder ein wenig Lachmuskelfutter.

    Wir freuen uns sowieso immer über Anregungen, was würdet ihr gerne lesen, worüber mehr, was weniger. Wir schreiben schließlich für euch!

    Danke für euer Feedback!

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