Kill Bill Vol.1 – Der Schmuggelskandal

23 April 2010 Text: Matthias Häger
Foto: doviende / flickr.com

Er gehört zu den schillerndsten Traninerfiguren im Eishockey: Bill Stewart. Der ehemalige NHL-Profi aus Ontario, derzeit bei den Kölner Haien hinter der Bande, ist nicht nur durch Tore, Tricks und Titel bekannt geworden. Legendär seine Aktionen, gefürchtet seine Methoden. Doch was geschah wirklich, was ist Legende?

Was ist passiert?

In der Saison 1999/2000 war Bill Stewart Trainer des Juniorenteams der Barrie Colts in der Ontario Hockey League. Er war dies sehr erfolgreich, nachdem ein kurzes Engagement bei den New York Islanders zuvor gescheitert war. Dabei war es ein ausgesprochen turbulentes und skandalreiches Jahr, dem Bill Stewart am Ende die Krone aufsetzte. Zuerst hatte er es aber mit den 4 Brampton Boys zu tun. Einer davon – Ryan Barnes – sah sich einer Anklage wegen eines Angriffs mit einer Waffe gegenüber, nachdem er in einem Spiel im Oktober den Schläger schwingend auf einen Gegner losgegangen war. Dir drei anderen hatten mit einer Anzeige wegen sexueller Nötigung zu kämpfen. Alle vier waren in der Kabine nicht sonderlich beliebt, die Mannschaft – zu der auch die späteren DEL-Spieler Michael Henrich und Matt Dzieduszycki gehörten – war in zwei Gruppen geteilt und die Brampton Boys wurden von anderen Teammitglieder hinter vorgehaltener Hand als “Krebsgeschwür in der Kabine” bezeichnet. Doch das ist nur eine Randgeschichte.

Denn eigentlich geht es um Vladimir Chernenko, einen damals 17jährigen Ukrainer. Über die Bedeutung des Verteidigers, der aus Kiew den Sprung nach Nordamerika gewagt hatte, für das Team der Barrie Colts kann man streiten. Null Punkte in 19 Spielen und dann ein schneller Trade zu den Owen Sound Platers sprechen nicht gerade für ihn, aber für Bill Stewart war er so wichtig, dass er ihn auch zu den Spielen in Plymouth, Michigan (Oktober) und Erie, Pennsylvania (Dezember) mitnehmen wollte. Das Problem: Beide Orte liegen in den USA und nicht mehr in Kanada und Chernenko hatte keine gültigen Papiere um in die USA einreisen zu können. Stewart – pfiffig – steckte den Nachwuchsspieler kurzerhand zwischen die Eishockeytaschen in das untere Gepäckabteil des Busses und schmuggelte ihn so zweimal in die USA hinein. Doch die Pfiffigkeit hielt nicht lange an, denn die Liga und die Grenzbeamten kamen dahinter und deckten den Skandal auf.

Was waren die Folgen?

Sportlich waren die Folgen für die Barrie Colts positiv, das Team holte trotz aller Querelen den Titel. Wirtschaftlich musste das Team bluten, denn es musste für ein spezielles Ausbildungsprogramm für ausländische Spieler aufkommen. Schlimmer traf es Bill Stewart selber: Er verlor seinen Posten als General Manager der Barrie Colts und die US-Behörden verhängten ein mehrjähriges Einreiseverbot. Dadurch war es für ihn praktisch unmöglich in Nordamerika ein höherklassiges Team zu coachen, da diese fast ausnahmslos grenzübergreifend spielen. Stewart wechselte nach Europa und wurde auf Anhieb mit den Adler Mannheim deutscher Meister. Trainer, Team und Liga entschuldigten sich beim schwächsten Glied der Kette – Vladimir Chernenko – der nach nur einem Spiel für Owen Sound bereits zu den Sudbury Wolves weitergereicht worden war.

Was machen die Beteiligten heute?

Bill Stewart blieb für insgesamt vier Jahre in Mannheim und coachte dann in Krefeld, Lausanne und in Österreich. Dann kehrte er nach Deutschland zurück, blieb für gut zwei Jahre bei den Hamburg Freezers und ist seit Dezember 2009 der verantwortliche Mann bei den Kölner Haien.

Vladimir Chernenko kehrte nach dem desaströsen Jahr in der OHL zurück nach Kiew, konnte sich aber dort nie wirklich durchsetzen. Er spielte einige Jahre mit mäßigem Erfolg in der Osteuropaliga, in Weißrussland und in der Ukraine. Seine letzte bekannte Station ist Kompanion Kiew aus der Saison 2008/2009.

Die Barrie Colts sind weiterhin ein erfolgreiches Team in der OHL, auch wenn nach dem Titel im Jahre 2000 der nächste größere Erfolg auf sich warten lässt. Das Team, das die aktuellen Saison an der Tabellenspitze beendete, hat unter anderem Martin Skoula und Bryan Little hervorgebracht. Bekanntester aktueller Spieler ist Alex Pietrangelo, der schon einige Einsätze für die St. Louis Blues vorweisen kann.


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