Angst essen Seele auf
Wenn die spielerische Leichtigkeit verloren geht, die Freude an Toren, Passstafetten und Zweikämpfen nackter Existenzangst und Hockey der dreckigsten Sorte weichen muss, dann ist wieder Play-Down Zeit. Der Kampf um den Klassenerhalt ist oft mehr als nur die Angst vor der sportlichen Niederlage, es ist die Angst vor der Insolvenz, die ungeklärte Frage nach der sportlichen Zukunft und die nicht vorhandene Antwort auf den Sinn des Ganzen, wenn man im nächsten Jahr eine Liga tiefer spielen muss. Die unsäglichen alljährlichen Strukturdiskussionen im deutschen Eishockey machen einen Abstieg noch weniger planbar und nicht einfacher. Gibt es eine bundesweite Oberliga, landet man im Landesverband oder darf man gar drinbleiben, weil jemand anders finanziell die Fliege macht? Keine klaren Voraussetzungen bedingen keine schönen Spiele.
In diesem Jahr hat es in der 2. Liga die Wölfe aus Freiburg und die Indians aus Hannover getroffen. Der Kultclub aus dem Norden darbte lange in der Oberliga herum, schaffte im Vorjahr mit viel Euphorie den Aufstieg und war auf vieler Leuten Rechnung der Geheimfavorit Nummer Eins. Doch Spieltag für Spieltag hielt am Pferdeturm Ernüchterung ein. Spieler und Trainer waren mit der Liga überfordert, die Ausländer schlugen nicht ein und von Tradition und guter Stimmung alleine, kamen keine Punkte aufs Konto. Nach kurzer Zeit zog man die Notbremse, feuerte Craig Streu und holte mit Joe West den Aufstiegshelden hinter die Bank zurück. Doch dessen technisch limitiertes und kampforientiertes Hockey brachte auch nicht den gewünschten Anschluss an die Pre-Play-Offs. Außer einiger negativer Publicity wegen manch überharter Aktion, blieben die durch Joe West ausgelösten Veränderungen im sehr überschaubaren Rahmen. Mit nur 49 Punkten schloss man die Liga auf Platz 13 ab, erstaunlich, dass trotzdem 3.040 Zuschauer im Schnitt an den Pferdeturm pilgerten.
Noch einen Platz schlechter – und das keineswegs überraschend – landeten die Wölfe aus Freiburg auf dem letzten Tabellenplatz. Nachdem man im Vorjahr noch die Pre-Play-Offs erreichte, konnte die Mannschaft nicht sinnvoll verstärkt werden, nein, sie verlor an Substanz. Mit Kadera und Mares gingen die mit Abstand besten Spieler, Bousquet enttäuschte auf der ganzen Linie, die Abwehr mit Stas, Gorgenländer und Bares war schlichtweg überaltert und auf der Torhüterposition gab es allenfalls Durchschnitt in der Franz-Siegel-Halle. Dazu ein Trainer, der das Team nicht mehr erreichte, und ein extrem schwacher Zuschauerzuspruch in einer der ältesten Halle der Liga, gaben den Wölfen eine enttäuschende Saison. Erst nach dem Wechsel zu Markus Berwanger im Laufe der Saison ging es zumindest kämpferisch etwas aufwärts. Doch den Beweis, das Niveau der Liga zu haben, blieb der EHC Freiburg in beinahe allen Saisonspielen schuldig.
Beide Teams hatten in der ersten Play-Down-Runde keine Chance und verloren jeweils deutlich mit 1:4. Ab Donnerstag kämpfen sie nun in Spielen, die in der Vergangenheit oft zur Abnutzungsschlacht mutierten, um den Erhalt in Liga 2. Eine Prognose ist schwierig, denn in diesen Spielen zählen keine Statistiken mehr, keine spielerischen Fähigkeiten, es kommt einzig und alleine auf die Leidensfähigkeit, Giftigkeit und auch auf die Bereitschaft an, für den Erfolg über die Grenze des Erlaubten – manchmal deutlich – hinwegzugehen. Joe West und seine Holzhacker sind dafür prädestiniert, doch die erfahrenen Freiburger darf man nicht unterschätzen und so wird diese Serie offen werden.
Da war doch was
Hannover vs. Freiburg – der geneigte Eishockeyfan wird sich sagen: “Da war doch was.” Richtig. Vor allem zwei Serien bleiben den Fans in Erinnerung. 2003/04 trafen die Wölfe in den Play-Downs auf die Hannover Scorpions und die Serie ging als eine der giftigsten in die Eishockey-Geschichte ein. Dabei taten sich die Scorpions besonders hervor: Peter Jakobsson brach Jiri Zelenka gleich mehrfach den Kiefer und ruinierte seine Kauleiste gleich im Ganzen, David Haas, der mit Sprüchen der Marke “Stas kann im Sommer seine Suppe aus dem Strohhalm schlürfen” aufwartete, verewigte sich mit der doppelten Schultereckgelenksprengung bei Peter Mares und Daniel Willaschek und Len Soccio hatte Petr Korinek auf dem Gewissen. Freiburg verlor die Serie dann auch sang- und klanglos. Dem gemeinen Freiburger Fan ist die Unterscheidung zwischen Scorpions und Indians zwar geläufig, doch beim Namen “Hannover” stellen sich die Nackenhaare auf.
Warum auch die Hannoveraner nicht gut auf Freiburg zu sprechen sind, dafür braucht man nur zwei Jahre zurückzublicken. Nach der Insolvenz der Freiburger GmbH, nahm man den Startplatz des Stammvereins in der Oberliga wahr, schaltete im Viertelfinale die mit Aufstiegsambitionen gestarteten Indians in sieben Spielen aus und stieg am Ende selber in die 2. Liga auf. Hannover hatte die Serie praktisch schon in der Tasche, als der Bad-Guy der Freiburger, Adam Spylo, mit einer unfairen Attacke gegen Kyle Doyle – angeblich auf Anweisung von Trainer Salmik – eine wüste Massenschlägerei im vierten Spiel auslöste. Spylo erhielt fünf plus Spieldauer plus Matchstrafe und die Wölfe gewannen die folgenden drei Spiele hintereinander und drehten die Serie.
Redaktionstipp: Mehrere Leserbriefe aus Bremerhaven betteln förmlich darum, dass wir uns für den einzigen Derbygegner der Pinguine einsetzen, doch außer dem verweichlichten Sander, der sich eine Träne verdrücken muss, kann das keiner ernst nehmen. Häger glaubt, dass sich der Spielstil von Joe West besser für die Play-Down eignet und setzt auf Hannover, während Ort grenzenloses Vertrauen in die deutschen Schiedsrichter beweist und die Freiburger bevorteilt sieht. Am Ende einigt man sich auf einen entscheidenden Treffer durch Rudi Gorgenländer, leider ins eigene Netz.
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