Außer Spesen nix gewesen

1 März 2010 Text: Matthias Häger
Foto: iwona_kellie / flickr.com

Ein Olympiarückblick? Kanada ist Olympiasieger im eigenen Land. Die Spiele auf unglaublich hohem Niveau. Tolles Turnier. Punkt.

Muss man mehr schreiben? Wir finden, aus deutscher Sicht ist das angebracht, denn wie es zu befürchten oder auch zu erwarten war, die deutsche Nationalmannschaft hat sich sang- und klanglos aus dem Turnier verabschiedet. Und außer Augenringen ist uns nichts geblieben. Doch, zwei Positive Sachen nehmen wir mit: Die Letten sind noch schlechter und es hat sich keiner verletzt. Aber das ist auch alles positive im negativen Sammelsurium der Ereignisse.

Gründe? Viele! Starke Gegner! Gegen die Schweden sah es noch gut aus, die stärkste deutsche Mannschaft aller Zeiten mit insgesamt sieben NHL-Spielern bot den Skandinaviern lange Zeit Paroli, verlor dann unglücklich mit 0:2. Im Nachhinein muss man das Spiel anders bewerten, die Schweden noch nicht eingespielt und müde vom am Vortag erst geendeten NHL-Spielbetrieb. Gegen Finnland wurde es schon deutlich schlechter und gegen Weißrussland tendierte es in Richtung Blamage. 0:5 gegen Finnland kann man verlieren, aber 3:5 gegen Weißrussland in dem entscheidenden Spiel der Gruppenphase bei einem Schussverhältnis von 40:17 (für uns wohlgemerkt), das darf nicht passieren. Das Pre-Play-Off-Spiel gegen Kanada kann man dann nur noch unter peinlich ablegen. Kraftloses Angsthasenhockey gegen natürlich stark aufspielende Kanadier. Aber: Nur weil jemand Crosby oder Thornton auf dem Trikot stehen hat, ist es doch nicht verboten, ihn zu checken. Wenn ich spielerisch schon nicht mithalten kann, dann darf ich dem Gegner zumindest weh tun. Und das hat unser Team nicht gezeigt. Man gab den Ahornblättern Begleitschutz, bis sie frisch, fromm, fröhlich, frei vor Thomas Greiss einschieben konnten, wie sie wollten. 2:8 stand es am Ende, die von Team und Trainer offensichtlich als Ziel ausgegebene Schadensbegrenzung misslang.

Gründe? Viele! Das Team! Selbst zehn Spieler vom Schlage Christian Ehrhoffs könnten es nicht ausgleichen, wenn in den Verteidigungsreihen Spieler stehen, die selbst in der DEL keine Leistungsträger sind. Fehlpässe, Stellungsfehler, Lieblingsopfer zum Überlaufen, Behinderung des eigenen Torwarts – all dies mussten wir bei den Olympischen Spielen mit ansehen. Wo waren ein Greilinger oder ein Wolf, die in der DEL die Scorerliste anführen? In Vancouver versteckten sie sich, gaben allenfalls mal Alibi-Schüsse ab, meist hektisch und verängstigt, wenn sie den gegnerischen Atem im Nacken spürten. Natürlich gab es auch positive Ausreißer. Thomas Greiss war nicht der Schuldige, später war bei ihm die Motivation weg, alleingelassen von der Abwehr. Marcel Müller und T.J. Mulock spielten frech nach vorne, die NHLer spielten im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Aus einem Defensivcenter und zwei Secondary Scoring-Wingern machst Du keine Scoring-Line. Korbi Holzer ließ sich nichts gefallen, Ehrhoff auf seinem bekannt hohen Niveau. Aber das reicht eben nicht, wenn der Rest untergeht, Anfängerfehler begeht und das Körperspiel scheut.

Gründe? Viele! Der Trainer! Über Nominierungen kann man immer streiten, aber warum er den bekannten Knipsern Wolf und Greilinger nicht einen vernünftigen Center zur Verfügung gestellt, weiß wohl nur Uwe Krupp selber. Vielleicht weil er gar nur zwei Center mit hat. Mit Schütz, Gogulla und Dietrich sind drei deutsche Spieler in der AHL erfolgreich. Jung, hungrig – Olympia ist auch die große Bühne für die NHL – und mit der kleinen Eisfläche vertraut. Aber stattdessen holt man lieber Butenschön, bei dem die Zero-Tolerance-Regelauslegung noch nicht angekommen ist. Diverse Strafen für ihn waren unumgänglich. Über vier Spiele hinweg wurden die Reihen kaum bis nicht verändert. Wenn es nicht läuft, dann stelle ich doch mal um. Warum nicht mal die NHL-Reihe sprengen und versuchen, zwei stärkere Reihen aufs  Eis zu bringen. Was hat man zu verlieren? Krupp wirkte hilflos, ohne Gameplan, ohne die richtigen Mittel. So viel er als Spieler auch erreicht hat, als Trainer unserer Nationalmannschaft wirkt er offensichtlich überfordert.

Gründe? Viele! Die Strukturen im deutschen Eishockey! Die DEL ist schwach (geworden). Im europäischen Vergleich ist sie keine Top-Liga mehr, dadurch sinken das Niveau der Spieler, das Niveau der Ausländer und letztlich auch das Niveau der deutschen Spieler. Ihnen werden Ausländer vorgesetzt, die weder als Vorbild noch als sportliche Lehrmeister taugen. Ausnahmekönner sind selten geworden. Trotzdem nehmen sie den Deutschen die Plätze weg, junge Spieler bekommen kaum die Chance sich in den Special Teams zu beweisen und vom Bankdrücken ist noch keiner besser geworden. Der Pool an deutschen Spielern und damit auch der Konkurrenzdruck ist gering: Wer einen Stock gerade halten und einen deutschen Pass vorweisen kann, steht bei Krupp schon im Notizbuch. Es sei denn, er heißt Hock oder spielt unter Zach. Gleichzeitig fehlt auch die Motivation im Eishockey etwas zu erreichen, das nationale Ansehen ist kaum messbar. Die Nationalmannschaft schwach, die Ligen machen sich mit ihrem Auf- und Abstiegstheater und ständigen Insolvenzen lächerlich. Der Zirkusstadl DEB, DEL und ESBG sorgt dafür, dass junge Eishockeyspieler nicht mehr im Focus stehen. Warum sich also in der Liga durchbeißen? Diese mangelnde Qualität zeigt sich dann bei Olympia umso deutlicher.

Gründe? Viele! Körperliche Unterlegenheit! Wenn alle anderen Mannschaften im Schnitt zehn Kilo schwerer sind, dann darf man die Frage aufwerfen, ob unsere Jungs körperlich alles für ein internationales Niveau tun. Am Läuferischen kann man schwerer etwas verändern als an den Kraftwerten. Die kleine Eisfläche kam uns eigentlich entgegen, weniger Platz lässt das Läuferische gegenüber dem Körperspiel in den Hintergrund treten. Aber dann muss man es auch tun, muss man sich trauen und muss auch mit dem Echo leben können, selber in die Bande genagelt zu werden. Die meisten NHL-Spieler können es auf eine faire Tour. Aber Angst ist völlig fehl am Platz. Leider hat es bei einigen den Eindruck gehabt, als wäre diese Furcht da gewesen, bedingt auch durch die zunehmend harte Regelauslegung in den deutschen Ligen. Wie viel krachende Checks sieht man denn in der DEL pro Wochenende? Zehn? Beim Spiel USA vs. Kanada gab es die gefühlt pro Minute. Das muss man können, das muss man machen – und das schmeckt technisch starken Spielern gar nicht. Den Weißrussen auf die Füße steigen, die Kanadier zur Weißglut treiben, so hätten wir etwas erreichen können. Doch dazu braucht es die Bereitschaft, für sein Team und sein Land alles zu geben. Auch, wenn es schmerzt.

Gründe? Viele! Die Fans? Nein. Definitiv nicht. Auch nach den Debakeln bei den letzten Weltmeisterschaften und diversen unsachlichen Beschimpfungen durch DEB-Offizielle, machte sich wieder eine ganze Menge auf nach Kanada und unterstützte dort geduldig ihr Team. Diese masochistisch anmutende Leidensfähigkeit ist zu bewundern. Applaus für unsere Fans in Vancouver.

Hoffen wir nur inständig, dass die Funktionäre im deutschen Eishockey endlich einen ähnlichen Ehrgeiz entwickeln, sich zusammenraufen und das deutsche Eishockey auf eine gesunde Basis für die Zukunft stellen. Da wir von STARTING6 nicht nur meckern, sondern auch konstruktiv tätig sein wollen, werden wir in einem Folgeartikel mögliche Lösungswege aufzeigen. Sagt uns doch in den Kommentaren, was Ihr Euch vorstellt und wie Ihr Olympia erlebt habt.


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2 Kommentare »

  • Stephan Dobner said:

    Ich habe gerade den artikel durchgelesen und stimme mit Ihnen bei vielen Sachen überein. Besonders bei der Zusammenstellung der Mannschaft. Warum keine AHL-Spieler wie Dietrich, Gogula & Co. Wo war ein Daniel Kreutzer, der in Düsseldorf regelmäßig scort, Erfahrung hat, in den Specialteams spielt und immer alles für das DEB-Team gegeben hat?

    Aber das schlimmste an dem ganzen Debakel war für mich die Aussage der DEB-Führung: Man war mit dem Verlauf des Turniers zufrieden. Und daß ein Trainer der bei der letzten WM faktisch abgestiegen ist und bei Olympia NULL Punkte geholt hat nicht einmal ansatzweise zur Disposition steht ist für mich irgendwo nicht nachvollziehbar, ja schon fast erschreckend. Genauso wie die Selbstverherrlichung der DEB-Oberen. Die machen ja anscheinend alles richtig………….

  • peter said:

    Es stimmt ja auch schon bei der Ligenstruktur und der Regelung des Auf- und Abstiegs nicht. Bist in der DEL, bleibst in der DEL. Warum gibt’s hier nicht einen sportlichen Absteiger? Das zieht sich auch in den darunterliegenden Ligen durch Bundesliga, Oberliga, Bayernliga …
    Einen sportlichen Auf- und/oder Absteiger gab’s da schon länger nicht mehr! Die meisten wollen nicht aufsteigen, einige wollen absteigen weil die regionalen Ligen deutlich attraktiver und vom Zuschauerzuspruch besser aufgestellt sind. Also muss es eigentlich an der Ligenstruktur liegen. Da die Kompetenzen in (fast) jeder Liga anders verteilt sind (DEL, ESBG, BEV, …) kommt man nicht auf einen gemeinsamen Nenner.
    Es sollte sich da was tun …

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