Kokolores
Irgendwie sieht die Tabelle nach dem vierten Spieltag der Bundesliga schon wieder gar nicht so aus wie sich das alle erwartet hätten. Irgendwie sieht es strukturell in Deutschlands Hockeywelt auch nicht so aus, wie wir das vor dem Sommer gedacht hätten. Irgendwie läuft es nicht so wie Axel Kammerer es gewollt hätte und der Flur-Funk in Nürnberg war auch schon einmal besser irgendwie. Das Sommerhockey reißt nicht die großen Scharen vom heimischen Herd. Das deutsche Eishockey versinkt angeblich immer mehr in der medialen Bedeutungslosigkeit der Gesellschaft. Alles also Kokolores? Weit gefehlt!
Zwei berühmte Sprichworte beschreiben nicht nur die deutsche Eishockey-Szene momentan treffend und gut: Zum einen “Weiß erkennt man am besten, wenn man schwarz dagegen hält!“, zum anderen “Menschen, die sich bewegen, treten der stehenden Masse zwangsläufig auf die Füße“. Ob ich Ihnen mit dieser Kolumne auf die Füße steige ist durchaus möglich, aber schlussendlich nicht beabsichtigt. Zunächst ein paar Worte zu unseren lieben Nachbarn!
Schweizer Federführung
Wenn der deutsche Eishockey-Fan mal Lust zum Fingerzeigen hat wird immer gerne auf die Schweizer und ihre Form den Eishockey-Sport zu pflegen gedeutet. Die haben Auf- und Abstieg, die haben geringe Kontingentzahlen in allen Ligen. Trotzdem haben sie bei den letzten WM-Turnieren nicht so toll ausgesehen wie wir. Aber die Strukturen sind toll! Den Nationaltrainer hätten wir auch gerne gehabt. Das der lieber erstmal sieht was in der NHL so passiert mit der Karriere tja. Ist auch nicht so schlimm, schließlich haben wir ja ein Strukturproblem. Und ein weiteres vermieden, denn Bundes-Uwe darf nicht gleichzeitig in “Kölle” ran und muss deswegen abdanken. Schade eigentlich. Fragen Sie doch mal 100 Eishockey-Fans in Deutschland wie der neue deutsche Bundestrainer heißt. Nein, Sie brauchen nicht die Suchmaschine ihrer Wahl zu benutzen, ich sage es Ihnen, Jakob Kölliker heißt er. Ist im übrigen auch Schweizer und ob er den Spitznamen “Kölle” hat weiß ich nicht. Den Spitznamen darf er hoffentlich haben, ohne für ein Strukturproblem zu sorgen. Bei deutschen Eishockey-Funktionären weiß man am Ende ja nie so ganz was sie auf den Zetteln stehen haben und das es da auch mal durcheinander geht, Schwamm drüber!
Neulich hatte ich beim Blick auf hockeyfans.ch ein Dejavu. Man vermeldete sichtlich stolz das Resultat einer Marktforschungs-Studie nach der im gesellschaftlichen Interesse König Fußball in Wirklichkeit das Zepter gemeinsam mit dem Eishockey schwingen muss. Ist ja schön und gut, auch das wir Deutschen so etwas niemals annähernd erreichen könnten, aber wurde nicht erst kürzlich auf selber Seite während der Hochphase des Sommertheaters folgendes vermeldet: “Eishockey von Medienlandschaft vernachlässigt!” Ist das nun “Jammern auf hohem Niveau” gewesen damals, oder haben wir es beim zweiten Eintrag mit ausgemachter Propaganda zu tun. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen, in den Grautönen…
Grautöne…. verkaufen sich bekanntlich ziemlich schlecht und sind langweilig, außer vielleicht in schwedischen Möbelhäusern. Vor allem machen sie vieles so viel leichter zu verstehen, aber wer will das schon. Graue Wurst kauft auch keiner gern beim Metzger oder? Man will Schwarz und Weiß, klare harte Kontraste, totale Kompromißbefreiung in der medialen Berichterstattung. Das führt dann dazu:
Polarisierte Berichterstattung und Meinungsbildung
Gerade mit Grautönen, also einer Meinung die zwischen den Stühlen rangiert, tun sich viele nicht so leicht. Sie erinnern sich… die stehenden Menschen, denen man auf die Füsse tritt, wenn man sich bewegt in seiner Sicht der Dinge. Kompromissbereitschaft ohne sich zu kompromittieren, ganz schweres Thema für den geneigten Fan des deutschen Kufensports und das ist in meinen Augen vielfach medial anerzogen worden. Zu oft befindet sich der geneigte Eishockey-Sympathisant in der Situation seinen Sport in den öffentlich-rechtlichen Medien ähnlich vergewaltigt zu sehen für niedere Beweggründe wie vermeintliche Brutal-Schlägereien auf dem Eis, oder wirtschaftliche Exzesse, dass man schon von Anfang an eine trotzige Grundhaltung einnimmt und mit den Backenzähnen mahlt. So wie die Medien auf das deutsche Eishockey eindreschen, so wird auch von der großen deutschen Eishockey-Familie zurückgetreten. Wo smarte und intelligent auftretende Botschafter für unseren Sport dem sich seit Jahren festgesetzten Negativ-Journalismus über das deutsche Eishockey sanft zurückdrängen sollten, wirbeln überdrehte und völlig ungeeignete Selbstdarsteller mit Wortwitz und Charme, dass Mario Barth sich weigern würde hier Gags zu klauen. Lediglich Sport1 mit unseren beiden Galliern Hindelang&Goldmann kämpfen noch im Sinne unseres Sportes und versprühen Lust&Freude am Eishockey, während sich die römischen Legionen um Nörgel-Zenturio Ploog und Kohorten wie Geier auf die Karkasse deutsches Eishockey in den Medien stürzen. Nur weil früher alles besser war.
Dabei schere ich mal alle über diesen Kamm, ob Club-Mäzen, Kurvensteher, Sitzplatz-Presse-Schreiber, Sponsoren-VIP-Bereich-Besucher, Schiedsrichter-Beobachter, Spielerfrau, oder DEB-Offizieller. Ja genau, sie meine ich, geneigter Leser. Glauben sie nicht? Geht ganz einfach zu illustrieren! Stellen sie sich folgende drei Fragen: Was halten Sie von der DEL? Was halten Sie von der Eishockey-Bundesliga? Was halten Sie vom DEB und seiner Vorgehensweise diesen Sommer? Stellen Sie sich nun vor in einem Raum zu stehen, mit einem gemischten Publikum aus oben genannten Eishockeyphilen und es geht um diese drei Fragen. Dürfte unterhaltsam werden. Und laut.
Beleidigte Leberwürste so weit das mediale Auge reicht
Momentan geistern eine Menge beleidigte Leberwürste durch die mediale Eishockeylandschaft Deutschlands. Alexander Brandt von der Eishockeynews verlieh zuletzt Peter John Lee diesen Titel für seine eigenwillige Sicht und Kritik an einem in vielen Augen Aufsehen erregenden Saison-Trailer des Rivalen Adler Mannheim. Der Manager der Eisbären beschwerte sich über einen Check mit arbeitsrelevanten Konsequenzen für den lokalen Beulenguru an einem das Logo der Berliner zierenden PKW, verursacht durch einen Mannheimer Akteur, der wohl nicht so ganz die Kurve gekriegt hat. Gechecked, habe ich die Kritik von einem gestandenen ehemaligen Eishockeyprofi jedenfalls nicht, war ja nur Blechschaden. Aber der gute Peter John Lee ist gar nicht so alleine mit einer teilweise an Lächerlichkeit grenzenden Mimosigkeit im deutschen Eishockey. Dieses Bild wird natürlich auch medial inszeniert und wenn es so weiter geht, dauert es nicht mehr lange bis RTL bei einem der Clubs anfragt ob sie eine Episode “Mitten im Leben” drehen dürfen. Zumindest wäre man dann einmal wieder im Free-TV.
Schwangerschafts-Verträge und das Ding mit dem Arbeitsamt
Da gab es vor kurzem einen Bericht über das Verhalten der Eishockey-Profi-Vereine, dass sie ihre Spieler nur neun Monate beschäftigen und drei Monate ins Amt zum Stempeln schicken. Damit sich die Eisbären nun nicht so sehr auf den Schlips getreten fühlen, sie gehören neben den oben angesprochenen Adler Mannheim zu einem der Clubs, die ihre Profis das gesamte Jahr beschäftigen. Tja, wirklich begeistert waren wenige Betroffene von dem Medienbericht. Spieler fühlten sich als Sozialschmarotzer abgestempelt, Vereins-Manager ebenso. Beide Seiten beharren auch fleißig darauf aufgrund der moralischen Bedenken den Wurst-Faktor in Punkto beleidigt reagieren möglichst hoch zu halten, es wird mit dem Finger auf arbeitslose Schauspieler zwischen Projekten hingewiesen und die allgemein gängige Praxis lediglich berechtigten Anspruch auszunutzen. Saisonale Arbeiter, wie Spargelstecher und Erdbeerpflücker dienten als Vergleichsobjekte. Kann mir vorstellen gerade diese Berufsgruppen werden zu beleidigten Leberwürsten, wenn sie hören welchen Satz Eishockeyspieler so vom Fiskus erhalten und was für Arbeit diese annehmen müssen für diese Bezüge. Ziemlich rote, vor sozialer Ungerechtigkeit beflügelte Wut-Leberwürste. Am Ende waren wir alle irgendwie beleidigt, dass unser Sport im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wieder mal in der zwielichtigen Prügel&Betrüger-Ecke ausgestellt wurde. Obwohl der Vorwurf des sozialen Schmarotzertums schon neu ist.
Kooperationsgewurste
Lassen wir den Blick dann schweifen auf den Sommer und seine Ereignisse rund um die Kooperationsgespräche; In der Pommernmühle mit den Flügeln wäre großer Wurstalarm ausgelöst worden, wegen der reichlichen Nachfrage. Grob gesagt waren alle eigentlich mit Stückchen beteiligt. Würste meine ich natürlich, vor allem beleidigt und eingeschnappt. Meine Hutkrempe geht jetzt noch hoch wenn ich nur dran denke, was die alle dort verwurstet haben, bzw. nicht verwurstet. Weder Institutionen der freien deutschen Sport-Medien wie dem Sportstudio, oder seinen Ablegern in den Dritten war diese historische Bankrotterklärung eines deutschen Breitensportes überhaupt mehr journalistische Aufmerksamkeit wert, als eine kurz verlesene Pressemitteilung. Eigentlich kann man darüber froh sein.
Wird beleidigte Leberwurst eigentlich mit der Zeit auch grau? Grautöne, da sind sie wieder. Also brauchen wir nur Zeit, bis die Leute erkennen das DEL und Bundesliga die zwei Enden derselben Wurst sind, die ihren Knack verliert wenn man sie in der Mitte durchschneidet? Wohl nicht, weswegen der Wurst-Vergleich wohl ein wenig Kokolores ist. Oder doch nicht?
Zwischen Schwarz und Weiß liegt der Weg
Wenn sich alle bewegen würden, würde man sich zwar immer noch auf die Füsse trampeln, aber zumindest bewegt man sich irgendwo hin. Gemeinsam. Gegeneinander um Punkte, gemeinsam für unseren Sport. Interessanter und weit interpretierbarer Slogan. Finden Sie nicht auch? Viele fühlen sich auf die Füsse getrampelt, von dieser Fan-Initiative, die sich anmaßt “Echte Eishockeyfans” zu heißen. Das die Intention irgendwo in ihrem Zusammenhang mit dem Hannoveraner Fanclub “ECHte Hannoveraner” und der Meinung “Echtes und ehrliches Eishockey” leben und sehen zu wollen liegt; und darin einfach eine Gruppe Fans sieht, die sich bewegen, gegen die stillstehende Masse die auf beleidigte Leberwurst schaltet, weil da ein paar Zweitliga-Verrückte einen anmaßenden Namen gewählt haben. Man sollte Respekt haben vor ehrenamtlichen Engagement, auch wenn man nicht derselben Meinung ist.
Mangelnder Respekt voreinander, der Knackpunkt. Gerade DEL und Bundesligisten, egal ob Offizielle oder Fans. Warum zeigen so viele DEL-Fans ein herabwürdigendes Verhalten in ihren Äußerungen gegenüber den anderen deutschen Hockey-Fans?
Andererseits, werte Zweit, Entschuldigung, Bundesliga-Fans. Ist die DEL wirklich ein solches Monster und in ihrer Gesamtheit abzulehnen? Ist der DEB wirklich der Judas der Verhandlungen im Sommer? Geht es am Ende wirklich alleine, ohne diese Liga, ohne den Verband?
Und liebe DEB-Funktionäre, lieber Herr Harnos. Ist die momentane Situation im deutschen Eishockey wirklich bloß dem Zwist der beiden Ligen geschuldet, oder hat man es versäumt die kontrollierende und regulierende Rolle auszuüben und der DEL nun zu viele Extrawürste zugestanden? Hat man die Zweitligisten in diesem Kontext korrekt behandelt?
Inzwischen gewinnen die Huskies sogar in Frankfurt das Hessen-Derby, vor so vielen Begeisterten. Die neue Oberliga-West bietet einiges. Wenn die dicht geblieben wäre… Löwen und Schlittenhunde außen vor. Hunde-Elend und Katzenjammer.
Die Bundesliga bietet noch mehr, vor allem engen sportlichen Wettbewerb und Clubs, die auf dem Weg sind sich in ihren Strukturen zu modernisieren und hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Wo ist der Unterschied zwischen Schwenningen und Straubing, wo der Unterschied zwischen Hannover und Hannover? Ravensburg und Ingolstadt? München und Bremerhaven? Warum diese Angst vor einem offenen Auf- und Abstieg? Warum überhaupt terminlich und aus regulatorischen Gründen (Stichwort Ü-A-Lizenzen) realitätsferne Relegations-Modi? Da hat keiner etwas von!
Ist doch alles Kokolores!
Das deutsche Eishockey bietet so viel, vor allem Gelegenheiten für Leute, die bereit sind sich zu bewegen!
Ich würde gerne mal wieder Positives schreiben, mit Freude und Lust dabei sein, hätte gerne z.B. Goldie&Hindelang Löwen vs Huskies kommentieren sehen vor 6000 Zuschauern und dazu einen schönen Spielbericht abgefasst. Aber wissen Sie was. Die Medien haben einfach kein Interesse daran Eishockey wieder in den Fokus zu stellen bis zur nächsten großen Massenschlägerei in der DEL. Auch mir fällt es inzwischen verdammt schwer das Gute zu finden und herauszustellen, weil es davon nur noch so wenig gibt. Als Petr Sikora seine Karriere begonnen hat gab es noch Auf- und Abstieg, Erstliga-Partien live, eigene Seiten in den überregionalen Sportteilen. Noch spielt er. War am vergangenen Freitag mit von der Partie in der Frankfurter Halle im Trikot der Huskies. Dieses Spiel hat alles gehabt, was Eishockey-Herzen höher schlagen lässt. Derby-Feeling, alte Schlitzohren und Haudegen, junge Nachwuchstalente die das erste Mal vor einer riesigen Kulisse auflaufen. Und wissen Sie was so schade ist. Es bekommt niemand mit, außer Ihnen, die eh unsere Artikel lesen und verstehen welch magische Wirkung unser Sport haben kann.
Und was tun wir in den Zeiten, wo unser Sport nicht mehr beim allgemeinen Bürger in der Wahrnehmung ankommt? Wir machen mit unserer Unfähigkeit über den Tellerrand zu blicken, mit unserem mangelnden Verständnis an der gegenseitigen Situation, mit dem Voranstellen von Eigeninteressen es erst Recht möglich, dass unser Sport in der medialen Bedeutungslosigkeit versinkt. Denken Sie darüber nach, bevor Eishockey auch für Sie endgültig Kokolores geworden ist.
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