Sonderzug

8 Dezember 2010 Text: Matthias Häger
Foto: Professor Bop / Flickr unter CC-Lizenz

Während die Redaktion feierlich um den dampfenden Topf Feuerzangenbowle sitzt, den Sander zur Feier des 1. Steelers-Heimdreier der Saison gestiftet hat, kommt die Frage auf: „Wat is en Sonderzuch?”. Die Frage kann natürlich nur der Experte schlechthin, Gymnasialprofessor Bömmel, beantworten. Wir haben Ihn gefragt:

“Wat is en Sonderzuch? Da stelle mehr uns janz dumm. Und da sage mer so: En Sonderzuch, dat is ene jroße schwarze Raum auf Schiene, der macht am Anfang und am End die Tür uff. Am Anfang kommen die Fans nüchtern rein und, dat is die Abfahrt. Und dat Ende, dat krieje mer später. Da ist der Zuch dann rum und die Fans torkeln betrunke wieder russ.“ Fricke schimpft: “Ich versteh da nix, bitte auf Hochdeutsch.”  Aber gerne doch, wir denken auch an unsere Leser vom Weißwurstäquator bis zur polnischen Grenze und zurück und liefern die Erklärung in verständlichen Worten.

Professor Bömmel, bitte!

“Ein Sonderzug ist ein große Raum auf Schienen. Der bewegt sich vorwärts über Gleise, meistens sehr langsam und muss aufgrund niedrigster Priorität immer auf andere Züge warten und ist dadurch für kurze Strecken unendlich lange unterwegs. Quasi ein durch Stuttgart21-Proteste zusätzlich verlangsamter Castor-Transport. Doch genau wie den Castoren ist es auch den Fans im Sonderzug völlig egal – beide strahlen. Die einen, weil sie es sowieso tun und die anderen weil ein Sonderzug meistens etwas hat, was man in jeder Regionalbahn vermisst: Den Partywagen. Kein “Senk ju vor träwelling” und überteuerter Heißkaffee im miefigen Speisewagen, sondern Bier vom Fass im ebenso miefigen Partywagen. Dem Volk gefällts. So steigt der Bierkonsum meist synchron zur Zahl der absolvierten Schienenkilometer und die Stimmung wird immer besser, läuft es auch sportlich immer schlechter. Sonderzug ist ein Event.

Nach mehr oder minder vielen Stunden kommt man dann endlich im Zielbahnhof an und wird häufig von Freunden in Grün und Blau begrüßt, statt mit “Hohem Stock” mit “Schlagstock” und bösen Blicken. Singend und grölend geht es dann zum Stadion, in die Stadionkneipe, an den Bierstand, nochmal in die Stadionkneipe, wieder an den Bierstand, kurz ein Blicks auf Eis geworfen – aha, 0:2, 3. Drittel – nochmal kurz zum Bierstand, in die Kneipe und dann zurück zum Bahnhof und mit alle Mann im Sturmangriff auf den Partywagen. Spiel? Egal. Ergebnis? War das was? Verloren? Mir doch egal, ich hab Durst.

Auf der Rückfahrt läßt sich dann meistens die eine oder andere Feldstudie zum Thema “Schlafen in unmöglichen Positionen” durchführen. Ob in Bierresten auf dem Boden, ob in Bierresten auf der Bank, ob in Bierresten im Gepäcknetz oder ob in Bierresten im Stehen an der Wand. Schlafen kann man überall und getoppt wird das nur noch von der Königsdisziplin der Sonderzug-Action: Bei voller Fahrt aus dem Fenster brechen. Prost und Ole – wir sind Sport- und keine Eventfans.

Und nun meldet euch alle bei den Sonderzügen eures Teams an!


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