2. Liga – Vorschau: Teil 5
Die Besten zum Schluss? Nein. Die die meinen sie wären die besten – die kommen zum Schluss. Ok – vielleicht sind sie es wirklich…
Tower Stars Ravensburg
(bf) Man könnte meinen die guten Oberschwaben haben ein leichtes Identitätsproblem. In ihrer modernen Badehalle quält die Towerstars GmbH den traditionsbewussten Anhang nun erneut mit einem Logo, dass vermeintlich die Annahme zulässt, die zuständige Werbeagentur rekrutiert seine Praktikanten schonmal in der Vorschule. Der Umbenennung mit dem modernen Beinamen folgen nun diese Saison die Retro-Aufwärm-Trikots, weiterhin macht man hier den Spagat zwischen “ach der gute alte St.Christina-Hang” und “ach die gute warme Eissporthalle”. Nirgendswo in der Liga rotiert Traditionelles und Modernes so schnell umeinander, dass einem die Birne schwirrt. Am Hang flog halt auch schonmal ein Schuh zur großen Erheiterung, in der Eishalle durchflügt den Luftraum halt nur noch das GmbH-Sitzkissen wenn das Team wie meist üblich sein Heimspiel gewonnen hat. Obs dem Oberschwaben lieber ist mit leuchtenden Augen vom alten Hang zu erzählen, während man vom Frösteln verschont auf der Plastikschale hockt, oder aber wehmütig sich zurückwünscht zu Freiluft-Atmosphäre mit Atem-Nebel und Glühweindunst. Am Ende ist es alles eine Frage der Zeit und des Geschmacks.
Welch Sorgen quälen einen Eishockeyverein, wenn man sich finanziell und sportlich wieder mal zurücklehnen kann und das Abstrampeln der meisten Konkurrenz ums sportliche Mithalten mit einem spöttisch-schwäbischen Lächeln zur Kenntnis nimmt. Aber auch die Gelassenheit kennt in Oberschwaben seine Grenzen und wegen etwas herrscht doch rege Nervosität und Aberglaube. Wenn man gut aufpasst, kann man sie in Ravensburg sogar hören. Es ist, als ob die gesamte Buntspechtpopulation des Landes in die Puzzle-Metropole emigriert ist. Nervös dreschen tausend schwäbische Finger aufs Hartholz ein, bloß nicht wieder ein Dutzend Verletzte!
Verletzungsparanoia pur! Der Spieler wird in Memmingen aus dem Flieger gezogen. Bevor er die Chance zur Orientierung hat und sich möglicherweise aufs kanadische Mundwerk legt wird er erstmal komplett in Watte eingerollt und dann in seine Gummizellen-Wohnung verfrachtet, wo er bis Saisonbeginn Zeit hat, sich von diesem erneuten Geburtsschock zu erholen. Lieber psychisch angeknackst, als Knöchel, Hüfte oder Schulter, klare Ansagen vom Doc. Die Marschroute ist klar, lieber zwanzig kerngesunde Spieler auf dem Eis, als zehn zerschundene Rüpel mit gelbem Zettel im VIP-Bereich hocken haben die Wehwechen auskurieren und den Trainer kritisieren. Man wird wohl selbst auf die Warmup-Routinen der Spieler ein Adlerauge haben, besonders Torhüter Christian Rohde dürfte wie ein rohes Ei umpflegt und gehegt werden.
Denn, dussa vor den Toren hockt mit den Schwarzwälder Schwänen der ausgemachte Konkurrent, der Klassenprimus, dem man liebend gerne ans Gefieder will. Ordentlich Feuer war schon letztes Jahr in den Partien, man erinnere sich nur an den per diskutablem Suckerpunch von Stefan Vogt gegen Dominik Quinlan durchgeschwungenen Fehdehandschuh. Ob die Ravensburger Rüpel auch dieses Jahr die Schwäne rupfen? In Schwennigen wird man sich mit Sicherheit nicht nochmal so ans Gefieder gehen lassen. Trotzdem dürfte man wohl das eine oder andere Ausrüstungspuzzle auf dem Eis zu lösen haben wenn diese beiden Liga-Mutanten um das Platzhirschrecht buhlen.
Was da sonst so in Oberschwaben übers Eis kurvt kann sich schon sehen lassen. Über die letzten Jahre hat man eher Feinjustierung betrieben und versucht so die letzten Teile für ein Ravensburger Meisterpuzzle zu lösen. In schöner Regelmässigkeit ersetzt man die Kontingentler die eben nur ein kleines Haar in der Suppe gelassen haben und die anderswo mit Kusshand genommen würden. Es ist eben schon Sterne-Gastronomie in Punkto Kaderplanung und Chefkoch Peter Draisaitl darf dafür aus dem Vollen schöpfen. So sieht man neben dem einen oder anderen Neuzugang als vorigen Club auch die höchste deutsche Spielklasse aufblitzen. Dazu kommen Kontingentspieler, die die Liga zum Zungeschnalzen bringen werden, alleine zwei aus der DEL mit Alex Leavitt und Brian Maloney. Das dürfte netter Ersatz für die Herren Endicott und Helms sein. Zu ihnen stösst mit Frederic Cabana auch noch ein bärenstarker Center, der in Heilbronn ein wenig im Schatten von Penaltymonster Urquhart und dessen kongenialen Partner Fenton stand. Da darf der Rest der Liga schon neidisch ins beschauliche Südwest-Powerhouse schauen. In der zweiten Liga hat eindeutig Baden-Württemberg die bayrischen Clubs endgültig überflügelt und sowohl Schwenningen, als auch Ravensburg sind sportlich bereit für größere Aufgaben.
Wo wir auch schon bei einem anderen Ravensburger Dilemma wären. Das Team könnte von der Infrastruktur sicherlich die DEL bereichern, aber Punkte-Plan und Bürgschaft machen einen Ravensburger Aufstieg wohl momentan für die zurecht knausernden Chef-Türmsternler zu einem nicht riskierbaren Husarenritt. Schade eigentlich und wieder mal klarer Ausdruck, wieso die DEL krankt.
Fazit: Ehrlich gesagt wird es erneut höhere Gewalt erfordern um die Türme zum Einsturz zu bringen, ansonsten wird es wieder ein Sahnejahr für die Oberschwaben. Ganz für den Platz an der Sonne wird es in der Vorrunde nicht langen, wahrscheinlich mit nur einer Flügellänge Vorsprung gehen die Schwarzwälder als Primus in die Postseason. Läuft alles wie gewohnt werden die Towerstars ein gehöriges Wörtchen mitreden um den Titel, reden tun sie ja eh gerne die Schwaben gell? Schwarzwald oder Schwabenländle, das ist hier die Frage, wenn man über die Meisterkanidaten dieser Saison spricht.
Schwenninger Wild Wings
(rl) Wir wollten es wissen, was der sprechende Schwenninger Wecker auf der Landesgartenschau Neuzugang Jonas Lanier und Rückkehrer Andi Renz bei dem Foto für das Sonderheft der Eishockey News zu sagen hatte – oder vielleicht sie ihm. Was auch immer wir ihn allerdings fragten, seine Antworten hatten weder mit Lanier noch mit Renz und schon gar nichts mit Eishockey zu tun. Auf unsere wichtigste Frage schließlich, nämlich ob die Wild Wings in der kommenden Spielzeit Meister werden und in die DEL aufsteigen, schwieg er ganz. Wir wissen also nicht, was genau bei der Entstehung dieses Fotos gesprochen wurde.
Eines wissen wir jetzt jedoch: Der Wecker taugt offensichtlich nicht zum Orakel und wir müssen uns doch selbst Gedanken machen über die Chancen der Wild Wings in der Saison 2010/2o11 in der 2. Eishockey Bundesliga!
Halten wir uns also an die Fakten: Er zeigt nicht 5 vor 12 – der Wecker! Und doch ist sein Verhalten typisch für das Umfeld der Wild Wings, wenn man die Frage nach der Meisterschaft stellt. Man schlägt leise Töne an und es ist merklich ruhig auch bei den Fans, die eigentlich sonst die Lautsprecher der Liga sind. Coach Axel Kammerer zum Beispiel verweist darauf, dass alles passen muss und auf seine noch 2 Jahre dauernde Vertragszeit, während der er Meister werden möchte. Gleichzeitig verpflichtet man, zur Beruhigung der eigenen Nerven vermutlich, von den insolventen Kassel Huskies noch schnell den DEL erfahrenen Stürmer Christoph Melischko – damit der Kader der nötige Tiefe hat. Damit umfasst der Kader im Sturm 14 Mann – nötige Tiefe?? Das Umfeld scheint zu passen, die Helios Arena erfüllt ohne Frage DEL Anforderungen, der Kader ist besser geworden, Konkurrent München ist weg – WAS ZUM HENKER SOLL ALSO DENN NOCH KOMMEN?!
Es kann, nach unserer Einschätzung in dieser Saison nicht viel daneben gehen für die Wild Wings. Möchte man sie doch zum Wanken bringen ein heißer Tipp an die ärgsten Konkurrenten: Will man den Schwenningern Paroli bieten, braucht man ein wenig Tradition, ein altes, halboffnenes Stadion, in Stadionnähe eine klitzekleine, nicht weniger alte und in die Jahre gekommene Kneipe mit Kult-Charakter und schon hat man sie im Sack. Die Fans trinken und sind mit sich selbst beschäftigt und das Team verliert. Aber nicht zu oft zu diesem Mittel greifen – es nutzt sich erfahrungsgemäß sehr schnell ab.
Ravensburg, Heilbronn und Bietigheim nennt Kammerer als die stärksten Konkurrenten. Damit dürfte er sehr wahrscheinlich richtig liegen. Dass er, natürlich zurecht, ausgerechnet die von den Schwenningern gern belächelten Steelers aus dem Ellental in den Thron der stärksten Mitkonkurrenten hieft, obwohl man dort im Vergleich zur Vorsaison finanziell deutlich abspecken mußte, sagt genug über die Situation der Meisterschaftskonkurrenz aus. Ravensburg sollte sich nach unserer Einschätzung als härtester Konkurrent um den Titel erweisen.
Aus einem Grund nennt Coach Kammerer, bei der Frage nach den Konkurrenten, die Steelers natürlich zurecht. Wenn man in Schwenningen wissen möchte, was es heißt Eier zu haben und Meister zu werden, dann kann und sollte man ruhig mal nachfragen in Bietigheim.
Fazit: Zitat Oliver Kahn: “Eier, wir brauchen Eier!” Schlagen können sich die Wild Wings nur selbst – es kann heuer eigentlich nichts schief gehen!!
Schreibe einen Kommentar!