“Das liebe ich an diesem Sport”
Es gibt da jemanden, den sehen wir fast nie, haben ihn aber in den letzten Wochen dauernd gehört – wer kann das nur sein? Richtig: Der Marc Hindelang isses. Wir sprachen mit dem gebürtigen Lindauer über neue GEZ-pflichtige Rundfunkempfänger, Don Cherry und seine Herzensangelegenheit.
>> Hallo Marc, bei was stören wir Dich gerade eigentlich?
“Das klingt jetzt saublöd konstruiert: Aber ich habe mir tatsächlich einen neuen Fernseher gekauft und versuche gerade alle Funktionen zu verstehen…”
>> Du warst bei der WM Hauptkommentator für SPORT1 – natürlich insbesondere für die deutschen Spiele. Wie liefen diese zwei Wochen aus Deiner Sicht ab und wie unterschieden sie sich von den sonstigen Auftritten der Nationalmannschaft?
“Es war das Beste, was ich im Eishockey jemals erlebt habe, ob als Fan oder seit 1990 bei Weltmeisterschaften. Nie hat eine deutsche Mannschaft ein besseres Turnier gespielt. Endlich sind die Geister von 1976 vertrieben. Bei allem Respekt vor diesen großartigen Spielern: Schweden und Kanada waren nicht dabei und die Konstellation war günstig. Jetzt wurde Deutschland 4. unter 16 Ländern, von denen es vier Eishockeynationen wie die Slowakei damals gar nicht gab. Es ist nicht hoch genug einzuschätzen. Ein Traum, das begleiten zu dürfen.”
>> Apropos WM. Du hast dort mit Rick Goldmann gearbeitet, der als Co-Kommentator mit dabei war. Ihr habt euch da offensichtlich gut verstanden. Wie kam es zu diesem “Duett”?
“Wir kennen uns schon seit Rick als Spieler aus Nordamerika zurück nach Deutschland kam. Wir hatten von Anfang an einen guten Draht zueinander, und als das DSF für die WM 2008 einen Co gesucht hat, habe ich ihn vorgeschlagen, wir haben uns getroffen, abgesprochen und losgelegt.”
>> Gibt es etwas das Du an Rick Goldmann nicht magst bzw. etwas das dich stört wenn Du mit ihm zusammen arbeitest?
“Wenn er seine regelmäßigen Mahlzeiten nicht einhalten kann und Hunger bekommt, fängt er gerne an zu mäkeln. Sonst: Perfekt.”
>> Man hat auch gemerkt das ihr euch immer besser verstanden habt – die Kommentare wurden zunehmend lockerer und witziger. Hast Du das selber auch so empfanden oder täuscht uns unsere Einschätzung?
“Stimmt schon. Wenn Du zwei Wochen lang jeden Tag zusammen hängst und soviel arbeitest, schweißt das zusammen. Ich will es mal so sagen: Mit Rick kommt der Spaß – egal wo – nicht zu kurz, das steckt an.”
>> Habt ihr untereinander über anderer “Kommentatorpärchen” gesprochen und euch “inspirieren” lassen – z.B. das bekannte Duo Dirk Thiele/Gerd Sigmund bei EuroSport?
“Eigentlich nicht. Man sollte auch niemanden kopieren. Wir haben eher Vorstellungen, wie wir es nicht machen wollen. Wir wollen keine ”früher war ja alles besser” Mentalität verbreiten. Wir wollen das was da unten passiert einordnen. Fachlich aber auch möglichst unterhaltsam. Da lassen wir den Dingen gerne ihren Lauf.”
>> Eishockey erreicht leider selten eine breite Masse. Kommentierst Du für den Hardcore-Fan oder eher den Gelegenheitszuschauer?
“Gerade im Eishockey ist es wichtig, möglichst viele Menschen zu erreichen, was ja bei dieser WM bei den ganz großen Spielen (USA, Schweiz, Russland) der Fall war. Die wollen wir ins Boot holen. Also erklärt man natürlich mehr. Man muss es halt so machen, dass der Hardcore Fan sich nicht sagt: Was soll das, das weiß doch jeder.”
>> Dein Kollege Günter-Peter Ploog hat Olympia genutzt um minutenlang über die DEL und das deutsche Eishockey herzuziehen – findest Du so etwas unangemessen für einen Kommentator?
“Ich werde mir nicht anmaßen, die Leistung von Kollegen zu kommentieren. Wie oben gesagt: Wichtig ist für mich, dass man nicht nur im Gestern lebt, sondern dass man in der Sportart über die man berichtet über das Hier und Jetzt gut Bescheid weiß. Sonst kann man die Zusammenhänge nicht seriös einordnen. Kritik muss aber erlaubt sein.”
>> Wenn wir schon bei anderen Kommentatoren sind. Im Vergleich zu Deinen amerikanischen Kollegen wirkt es in Deutschland oft etwas bieder und wenig emotional. Ist das eine Mentalitätssache oder findest Du, dass in der NHL auch oft übertrieben wird?
“Einerseits Mentalitätssache. Nicht jeder Save muss gleich ein “Great Save” sein. Andererseits ist die TV Kultur “drüben” anders. Beispielsweise kommentieren die Kollegen ja jeden Spielzug durch, weil manche Spiele auch gleichzeitig im Radio gesendet werden. Ich käme mir blöd vor, im Fernsehen zu sagen: “Jetzt greift Deutschland über rechts an” – das sehen die Zuschauer doch selbst. Und wenn man im ersten Wechsel gleich rumbrüllt, als wäre das Finale gleich vorbei wird man schnell unglaubwürdig.”
>> Würdest Du Dir für die deutschen Eishockey-Übertragungen auch mal einen Don Cherry wünschen?
“Das wäre mal eine Farbe…Die Reaktionen möchte ich erleben, wenn das deutsche Gegenstück so über die Nordamerikaner herzieht wie Don über die Europäer…”
>> Jetzt haben wir aber genug von anderen gesprochen. Was mich interessieren würde: Wie siehst Du die Situation, dass DEL-Eishockey in Deutschland nur vom Bezahlfernsehen abgedeckt wird. Ist das nicht genau das falsche für eine Sportart, die um Anerkennung und Blickkontakte kämpfen muss?
“Das gibt jetzt eine lange Antwort: Zunächst einmal ist die Berichterstattung von Sky wichtig für die DEL, die inzwischen mehr als froh sein darf, dass ein Fernsehsender überhaupt Geld für die Übertragungsrechte ausgibt und 65 Spiele im Jahr live überträgt. Und Sky gibt dafür, vor allem für die Produktion der Bilder, die die Liga – also jeder einzelne Klub – weiterverwenden darf, sehr viel Geld aus. Diese von Sky produzierten Bilder laufen zum Teil dann auch im ARD/ ZDF- Morgenmagazin und anderen Nachrichtensendungen und sorgen in erster Linie für die bestehenden Blickkontakte. Denn die meisten Sender scheuen die Ausgaben, Bilder zu produzieren. Es ist ein allgemeiner Irrglaube, dass Sky anderen Sendern verbietet, Bilder von der DEL zu zeigen. Es ist einfach kaum ein Interesse da und man scheut natürlich auch die Kosten. Es dürfen sogar 5 Spiele pro Saison außerhalb von Sky gezeigt werden. Es hat ja Gründe, warum das keiner macht. Die 2 Spiele, die Eurosport übertrug, wurden komplett von der DEL finanziert.
Mir hat ein Sportchef eines Dritten Programms mal gesagt: “Wir machen keine Berichte über Eishockey, denn wir zeigen es ja auch nicht live. Da berichten wir lieber über Fußball und Handball, das erwarten die Zuschauer eher von uns.” Hat mit dem Grundauftrag wenig zu tun. Abgesehen davon, dass es wegen der Dauer von rund 2 1/2 Stunden schwer ist, in ein Vollprogramm Eishockey zu integrieren wird der Sport live nur dann im Free TV stattfinden, wenn er selbst Geld mitbringt und die Bilder selbst produziert. Ausführliche Magazine und Berichte rund um das Eishockey – und vor allem die vielen guten Typen – im Free TV, Livespiele im Abofernsehen – das wäre eine gute Kombination.”
>> Thema Fernsehen: Interviews mit Hans Zach – Genuss oder Greul?
“Immer Spannend und immer mehr ein Genuss. Wir werden ihn alle noch sehr vermissen. “Last man standing” in einer Welt mit immer mehr konfektionierten Phrasen und weichen Aussagen.”
>> Dein urigstes/lustigstes Erlebnis während der Kommentatorenzeit?
“Nürnberg- Frankfurt 1998: 3 1/2 Stunden wegen ständiger Prügeleien und zwischendurch fiel noch der Strom am Kommentatorenplatz aus. Aber ich habe auch Rochus Schneiders Kommentar zur Ausländerproblematik im deutschen Eishockey noch im Ohr. “Zerscht kommt der Lolek. Wenn der nix isch, dann geht er wieder und dann kommt der Bolek. Und wenn der au nix isch, dann kommt halt a anderer Grattler.” Das war allgäuerisch.”
>> Und das bewegendste Erlebnis?
“Robert Müllers letztes Spiel – die Hymne nach dem Spiel auf Schalke – überhaupt jedes einzelne Spiel der deutschen Mannschaft bei dieser WM. “
>> Du bist Vorstand das EV Lindau, der in der kommenden Saison in der Bayernliga spielt, wie kam es zu diesem Engagement?
“Ein trauriger Anlass: Der damalige Vorstand verstarb. Freunde riefen mich an und baten um meine Hilfe und es war dann eine Ehrensache, meinen Heimatklub zu unterstützen, die mir schnell zur Herzensangelegenheit wurde.”
>> Heimatklub? Gut, Du kommst aus Lindau aber hast du auch selber aktiv Eishockey gespielt?
“Beim EVL habe ich nur in der Hobbymannschaft gespielt – bin eigentlich gelernter Fußballer… Aber als junger Zeitungsschreiberling habe ich die erste Mannschaft seit Mitte der 80er begleitet, als diese erstmals spielte”
>> Helfen Dir die Kontakte in die Eishockey-Welt bei Deinen Aufgaben im Heimatverein?
“Kaum zu glauben: Ja. Die Eishockey- Welt ist so wahnsinnig klein, jeder kennt jeden und man hilft sich gegenseitig. Das liebe ich an diesem Sport.”
>> Marc, vielen Dank für das Interview – weil Du so brav geantwortet hast, darfst Du sogar noch jemanden grüßen…
“Hi Wayne. Thanks for the inspiration!”
Auch Marc Hindelang spricht von diesem Wayne, von dem alle reden – wer weiss um wen es sich handelt, der meldet sich bitte als schnell als möglich unter redaktion@starting6.de – wir brennen auf ein Interview!
Respekt! Tolles Interview!
Hallo ich bins .. der Wayne … Wayne Interessierts -g-
http://www.wayne-interessierts.de/
[...] Marc Hindelang: “Das liebe ich an diesem Sport” [...]
Eines wollte ich seit der WM loswerden: DANKE!!!!
Danke für diese tolle WM, jedes Spiel mit Ihnen und Herr Goldmann war ein Genuss für die Ohren. Selbst recht zähe Auftritte (von denen es wenige gab) wurden überragend kommentiert und dadurch sehen und hörenswert. Das absoulute Highlight waren allerdings die Auftritte der deutschen Nationalmannschaft, Herr Goldmann und sie waren herrlich mit anzuhören… Schön zu hören, dass deutsche Kommentatoren bei deutschen Toren auch mal “total abgehen können” und nicht nur ein nüchternes “Tor für die deutsche Nationalmannschaft” ins Mikro quälen. Die WM war nahezu perfekt und dazu haben sie und Herr Goldmann einen nicht unerheblichen Beitrag zu geleistet.
Ich freu mich schon auf die neue DEL Saison und auf die SKY Spiele.
Eine Frage hätte ich noch: Wäre es nicht überlegenswert, bei den DEL Spielen (wie auch bei jedem NHL Spiel) mit 2 Kommentatoren zu arbeiten? Bei der WM sah man ja um wie viel angenehmer das hören ist, wenn sich zwei tolle Kommentatoren die Bälle zuspielen.
Mit freundlichen Grüßen
Enrico Bläßing
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