Eine Frage der Blickrichtung
Was kommt?
Denn die Frage muss lauten: Was kommt nach der WM? Was lernen wir daraus? Das deutsche Eishockey lag nach Olympia am Boden, die Ligen zerstritten, die Insolvenz treuer Begleiter in allen Ligen, der Verband schwach und die Nationalmannschaft auf einem Spielniveau knapp unterhalb der Fußleiste angekommen. Die Nationalmannschaft hat ihren Teil zu einer Verbesserung beigetragen. Nach der Schmach von Vancouver ist man aufgestanden und hat sich bei der WM mit dem Leistungsvermögen präsentiert, dass eine deutsche Mannschaft hat. Sicher sogar etwas höher, aber der Kampf um das Viertelfinale und die sichere Vermeidung des Abstiegs, das muss der Anspruch von Eishockey-Deutschland sein.
Jetzt sind aber auch die anderen Akteure gefragt. Die DEL muss sich berappeln, aus den Negativ-Schlagzeilen rund um die Farce mit den Kassel Huskies und der versäumten Frist des EHC München herauskommen. Die ESBG muss eine vernünftige Liga zusammenkriegen und das im Ansatz gute Konzept der vier Oberligen mit Leben gefüllt werden. Übergreifend muss der DEB einend eingreifen. Der Verband, dessen Außendarstellung in vielen Bereichen verbesserungswürdig ist, muss Stärke beweisen, die Kräfte bündeln und darauf hinwirken, dass wir wieder ein geregeltes Ligenkonstrukt mit Auf- und Abstieg bekommen, unter priorisierter Berücksichtigung der Belange der Nationalmannschaft. Denn seien wir ehrlich – was hat mehr begeistert? Beim Titel der Scorpions denkt man spontan an “Wind of Change”, der vierte Platz der Nationalmannschaft hat es bis in die Tagesthemen geschafft.
Leider gibt es im Nachklang der WM schon wieder einige Unstimmigkeiten, die befürchten lassen, dass das aus dem Dornröschenschlaf erwachte zarte deutsche Eishockeypflänzchen wieder zertrampelt wird. Da ist zum einen die Personalie Uwe Krupp. Bleibt er oder geht er, die Frage stand vorher schon im Raum. Eigentlich muss er bleiben. Denn er hat den Erfolg eingefahren, damit hat er ein riesiges Argument in der Hand, um für die Nationalmannschaft zu kämpfen. Doch hat er die Kraft diesen Kampf gegen die Ligen, oft gegen Windmühlen, aufzunehmen? Ein neuer Trainer – Ralph Krueger aus der Schweiz als Beispiel – müsste sich erst beweisen, müsste sich den Respekt erst erarbeiten. Ein Halbfinale hat Krueger schließlich nicht vorzuweisen. Einzig Hans Zach hätte noch das nötige Renommee, aber das wäre doch ein arger Rückschritt in die Vergangenheit.
Die nächste Personalie betrifft die Spitze des DEB. Gerade jetzt, wo man Stärke beweisen muss, zeigt man Schwäche. Präsident Uwe Harnos tritt in der Öffentlichkeit eher farblos auf, Vizepräsident Erich Kühnhackl konnte trotz seines großen Namens noch keine Akzente setzen und der bisherige Hansdampf – Bronzemedaillengewinner Franz Reindl – droht mit Rücktritt, weil ihn der ewige Kleinkrieg mit den Ligen zermürbt hat. Das sind keine guten Voraussetzungen um geschlossen bei DEL und ESBG für die notwendigen Schritte einzutreten: vernünftige Ligenstrukturen, stärkerer Fokus auf die Nachwuchsarbeit, Reduzierung der Ausländer.
Muss man dem DEB wenigstens noch den guten Willen zubilligen, scheint es in den Ligen – und dort vor allem in der DEL – oft bei reinen Lippenbekenntnissen zu bleiben. Der Kommerz und das wirtschaftliche Ergebnis stehen im Vordergrund, man treibt mehr Aufwand für juristische Winkelzüge als für die Nachwuchsförderung und das Buzzword “Planungssicherheit” steht über allem. Ein gutes Beispiel geben gerade die Kassel Huskies ab, deren neuer Eigentümer offen zugibt, mit Eishockey nichts am Hut zu haben und das Team lediglich zur Auslastung seiner geplanten Halle benötigt. Herzblut, das die Fans und unser Team bei der WM gezeigt haben, sucht man dort völlig vergebens. Dabei sollte gerade die vergangenen Jahre der DEL aufgezeigt haben, dass “Planungssicherheit” und eine geschlossene Liga weder vor Insolvenzen, noch vor langweiligen Saisonphasen und Zuschauerrückgängen an diversen Standorten schützen. Wenn der Reiz der neuen Arenen verflogen ist – oder wie in Düsseldorf gar nicht erst aufkommt – dann kann das Erwachen noch viel böser werden. Auch die DEL sollte erkennen, was uns die WM gelehrt hat. Es sind nicht die Ausländer, die die Massen anziehen – die Begeisterung entsteht für ein deutsches Team, das leidenschaftlich kämpft und ehrliches und einfaches Eishockey demonstriert. Nun muss man diesen Spielern, die in der nächsten Saison ligaweit Anerkennung verdienen, die Chance geben, im Club in entscheidenden Situationen auf dem Eis zu stehen und Verantwortung zu übernehmen. Sie haben bewiesen, dass sie es können und sie und die nachrückenden Talente müssen es weiter spielen dürfen, damit das Halbfinale keine Eintagsfliege bleibt.
Alle Beteiligten müssen sich jetzt zusammenreißen. Die Ligen der Nationalmannschaft mehr Raum geben und der DEB dem Tagesgeschäft Zugeständnisse machen – das sind alle Funktionäre dem deutschen Eishockeypublikum schuldig, dass dieses Frühjahrsmärchen erst ermöglicht hat.
Unabhängig von spezifischen Faktoren im Eishockey sollte man sich aber keinen allzu großen Illusionen hingeben. Auch im Handball ist die Aufmerksamkeit nach dem WM-Titel 2007 wieder spürbar zurückgegangen, ein großer Boom ist nicht entstanden. Und die Handballer hatten nicht das “Pech”, dass nur wenige Wochen nach ihrem Märchen eine Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet. Wenn Sport1 nicht nur regelmäßig Handball, sondern auch Eishockey zeigen würde, wäre es schon ein großer Erfolg. Fußball wird immer die Nummer Eins bleiben. Aber für die treue und leidgeprüfte Eishockey-Fangemeinde wäre es einfach nur eine schöne Folge der WM, wenn das gesamte Gebilde Eishockey wieder auf etwas solideren Füßen stehen würde.
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