Drittelpause

14 Mai 2010 Text: Matthias Häger, Manuel Ort
Foto: Roland Rappel / fire-gallery.de

Eine Eishockey-Weltmeisterschaft ist ein dem Kulminationspunkt zustrebendes Werk in drei Akten. Nach der Vorrunde ist das erste Drittel rum, und entgegen der geplanten Dramaturgie, hat es für das eine oder andere Team schon die ersten Höhepunkte gegeben. Nehmen wir gleich mal den Knaller zum Auftakt. Offiziell über 77.000, inoffiziell knapp 80.000 Zuschauer aßen und tranken nicht nur die Schalke-Arena beinahe leer, sondern sorgten damit auch für einen Weltrekord und eine einzigartige Gänsehaut-Atmosphäre im Gelsenkirchener Fußballstadion. Der Sieg der Deutschen gegen lasche US-Boys gab der ohnehin schon guten Stimmung den letzten Kick, Eishockeyfans können sich auch selber gut feiern, feierten gemeinsam eine Party der Extraklasse: Eishockeyfans aller Städte vereinigt Euch!

Doch der Sieg gegen die Amerikaner war nur der Auftakt zu einer WM der Überraschungen. Bis auf Russland gab sich jede große Nation eine oder mehrere Blößen, für die USA steht sogar die Abstiegsrunde an. Zwei Höhepunkte hatten auch unsere kleinen Nachbarn im Norden und im Süden. Die Dänen schlugen Finnland und die USA, verschluckten sich dann an uns Teutonen, zogen aber trotzdem souverän in die Zwischenrunde ein. Perfekt agierte die Schweiz. Drei Spiele, drei Siege – dabei ein überzeugender Triumph über Kanada, die Eidgenossen muss man schon fast als Favoriten bezeichnen, so sie denn endlich den Fluch brechen, dass sie zwar in jedem Turnier einen Großen schlagen, aber niemals im Viertelfinale. Die Tschechen unterlagen den Norweger, der Geheimtipp aus Lettland sah außer gegen Italien gar kein Land und die Schweden mussten auch eine Partie abgeben.

Insgesamt waren es nicht die Spiele der ganz großen Stars. Logisch, nach Olympia und dank der noch laufenden NHL-Play-Offs muss man eben auf so manchen großen Namen verzichten. Doch trotzdem waren die Spiele weitestgehend spannend, manchmal hochklassig, immer interessant. Die ansprechenden Zuschauerzahlen, die gute Stimmung und die in Deutschland verhalten aufkommende Euphorie haben dazu beigetragen, dass die Vorrunde in positiver Erinnerung bleibt und mehr verspricht.

Zwischenrunde

Denn jetzt steht die Zwischenrunde an. Der Kampf ums Viertelfinale, nochmal drei Spiele für jeden. Bei einigen Teams gab es noch Veränderungen im Kader, Christian Ehrhoff verstärkt die Deutschen, Malkin und Gonchar die Russen, Backlund die Schweden und Ole-Kristian Tollefsen die Norweger. Hartnäckig halten sich auch Gerüchte, dass der überraschend in der NHL ausgeschiedene Superstar Sidney Crosby noch für das kanadische Team zum Einsatz kommen soll. Warten wir es ab.

Die Ausgangslage für die Zwischenrunde ist aus deutscher Sicht gut. Nach Mitnahme der Punkte ist man Zweiter in der Zwischenrundentabelle und hat den direkten Vergleich gegen die punktgleichen Dänen gewonnen. Russland marschiert vorneweg und es ist kein gewagter Tipp, zu behaupten, dass die Sbornaja auch am Ende der Zwischenrunde auf dem Platz an der Sonne stehen wird. Dahinter ist es offen wie selten. Sowohl gegen Weißrussland, wie auch gegen die Slowakei, haben die Jungs von Uwe Krupp eine sehr gute Chance. Gewinnt man eine dieser Partien, revanchiert man sich gegen Belarus für die Niederlage bei den Olympischen Spielen, dann muss es in den anderen Spielen schon sehr besch..eiden laufen, um noch zu verhindern, dass Team Germany zum ersten Mal seit 2003 wieder das Viertelfinale einer Weltmeisterschaft erreicht. Neben Russland und Deutschland, sind die Finnen ein Kandidat für das Viertelfinale, haben sie sich doch gegen die USA in stark verbesserter Form gezeigt. Können die Dänen ihr Level halten und was kann die Slowakei? Weißrussland, ohne einen einzigen mitgenommenen Punkt, ist nur Außenseiter.

In der anderen Gruppe sieht die Sache klarer aus. Vorne steht die Schweiz, mit sechs Punkten ist das Viertelfinale so gut wie gebucht. Holt man noch einen Sieg, dann kann man sogar auf einen “leichteren” Gegner aus der anderen Gruppe hoffen, um zum ersten Mal seit der Heim-WM 1998 wieder ein Halbfinale zu erreichen. Die Wahrscheinlichkeit ist gar nicht so gering, dass es zu einem Duell gegen den großen Nachbarn aus Deutschland kommt. Stimmung wäre garantiert und – seien wir ehrlich – ein großer Sieg gegen Team Switzerland ist mal wieder fällig.

Neben den Schweizern sind die Kanadier ein klarer Favorit für das Viertelfinale, auch die Tschechen und die Schweden sollten keine Probleme haben, die nächste Runde zu erreichen, dafür sind die Norweger und die Letten in der Tiefe doch zu schwach besetzt.

Abstiegsrunde

Die US-Boys müssen in die Abstiegsrunde – das Gelächter der Fans ist verständlicher groß – freut man sich doch immer wenn ein Favorit stolpert. Der Vize-Olympiasieger und selbst ernannte Gold-Favorit zeigte in keinem der drei Spiele was man von ihm erwartete. Der gerechte Lohn – die Abstiegsrunde. Mit Scott Clemmensen vertraute US-Coach Ron Wilson auf einen NHL erfahrenen Mann. Vielleicht wäre es hier sinnvoller gewesen, frühzeitig auf einen der beiden Backups zurückzugreifen. Der Torhüter der  Florida Panthers zeigte in keinem der drei Spiele seine wirkliche Klasse, jeder Schuss schien abzuprallen und brachte seine Mannschaftskollegen ein ums andere Mal in die Bredouille. Seine Vorderleute liesen sich anstecken und fanden daraufhin nie zu ihrem eigentlichen Spiel – „Unsere Jungs“ nutzen das Feeling des Eröffnungsspiel, die Dänen überrannten sie einfach mit einer Euphoriewelle und mit den Finnen ist so oder so nicht gut Kirschen essen. Drei spiele, drei Niederlagen und nur zwei magere Pünktchen.

Bereits 2003 mussten die Amis in die Abstiegsrunde und wer war dort vor Ihnen und durfte in die Zwischenrunde? Richtig, die Dänen. Der Abstieg wurde verhindert und wir lehnen uns mal so weit aus dem Fenster und prophezeien dass sie auch dieses Mal die Kurve kratzen werden. Weder die Kasachen noch die Italiener oder Franzosen dürften unter Normalbedingungen stark genug sein, um die Amerikaner wirklich in Bedrängnis zu bringen. Interessant wäre es allemal, wie man in Good Old USA auf den Abstieg reagieren würde.


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