Falsche Prioritäten?

14 April 2010 Text: Matthias Häger
Foto: cole24_ / flickr.com

Man sollte meinen, dass mit den Play-Offs in der zweiten Liga die sportliche interessanteste Zeit des Jahres angebrochen ist, und die Fans heißblütig über Tore, Zweikämpfe und Paraden diskutieren, die Vor- und Nachteile ihrer Teams und Taktiken gegeneinander abwägen und leidenschaftlich hinter ihrem Team stehen. Doch leider scheint das, was den Sport ausmacht, zunehmend in den Hintergrund zu treten.Denn blickt man in die ligaweiten Foren, dann dominiert ein Thema die Spiele-Threads: Die Schiedsrichter. Sei es in Liga Zwei im Viertelfinale Schwenningen vs. Kaufbeuren oder in der letzten Partie im Viertelfinale zwischen den Steelers und den Cannibals, im Halbfinale der Wild Wings gegen die Steelers oder im zweiten Halbfinale zwischen den Tower Stars oder dem EHC München. Auch aus der Oberliga finden sich einige Threads mit dieser Ausrichtung.

Mal sind es siebzehn Seiten, dann fünfzehn Seiten, dann mal wieder sieben Seiten – und in gefühlten 75 Prozent der Beiträge geht es um den Schiedsrichter. Der Aufruhr in den jeweils vereinseigenen Foren gar nicht mitgerechnet. Da wird auf den Schiedsrichter geschimpft, der Mann in schwarz und weiß verwünscht und bedroht, ihm wahlweise von absoluter Dummheit über Käuflichkeit bis hin zu völliger Blindheit und Parteilichkeit alles unterstellt, was dem gemeinen Fan so einfällt. Das Schlimme dabei ist, dass Trainer und andere Funktionäre in Pressekonferenzen, bevorzugt nach Niederlagen, gerne in dieses Klagelied über die Schiedsrichter einstimmen und somit weiter Öl ins Feuer gießen.

Den vorläufigen Höhepunkt erreichte diese Perversion dann vor dem dritten Spiel zwischen Schwenningen und Bietigheim am Sonntag. Es bedurfte zweier Threads im Vorfeld, die sich mit der Schiedsrichteransetzung beschäftigten. Von verdrehten Augen über die Befürchtung massig fliegender Becher und Feuerzeuge war die ganze Bandbreite an negativen Erwartungen und Vorverurteilungen nachlesbar. Dass der angesetzte Schiedsrichter eine einwandfreie Leistung zeigte, sich vom Publikum nicht beeinflussen ließ, und in allen strittigen Situationen richtig lag, passt leider gar nicht ins Konzept. So versucht man das im Nachhinein zu relativieren, ihm trotzdem ans Bein zu pinkeln, irgendeine andere Leiche in seinem Keller zu finden, nur um mit der begonnenen Diskreditierung fortfahren zu können.

Respekt und Emotionen

Eine Honorierung der Leistungen, eine Entschuldigung, das wäre wahre Größe – aber die sucht man leider vergebens. Ich will eins klarstellen und nicht verhehlen: Es gibt Fehlentscheidungen und Schiedsrichter sind nicht perfekt. Genauso wie jeder Spieler im Spiel den Puck vertändelt, mal einen Fehlpass spielt oder eine Großchance kläglich vergibt, irrt sich auch ein Schiedsrichter, beurteilt eine Situation anders oder macht schlichtweg einen Fehler. Schiedsrichter sind auch – und zum Glück – nur Menschen und gehören genauso zum Sport dazu. Ohne Schiri geht es nicht – die Phrase ist abgedroschen aber zutreffend. Und ich wünsche mir einfach nur eins: Dass dem Schiedsrichter landesweit wieder mit mehr Respekt begegnet wird. Nicht falsch verstehen: Emotionen gehören dazu und gehören auch in ein Eisstadion. Aber genauso wie es bei den Teams den Handshake gibt, sollten auch die Emotionen gegenüber dem Schiedsrichter im Stadion bleiben und nicht tagelang in die Foren getragen werden. Bei jeder Emotion darf man nie den Respekt verlieren.

Dass die Steelers jetzt Protest eingelegt haben, Herrn Brill für die Zukunft ablehnen wollten und per Video belegbare Tatsachen in ihrer Pressemeldung verdrehten, setzt der ganzen Diskussion noch die Krone auf. Hier wird der Schiedsrichter bewußt und in abstoßender Weise für Psychospielchen mißbraucht, weil man in Bietigheim die Felle davon schwimmen sieht. Der Brandbrief aus Nauheim gegen die “Süd-Mafia” geht in dieselbe Richtung.

Wie oft wird nach Spielen auf Torhüter, Verteidiger oder Stürmer eingedroschen, die Fehler im Spiel begangen haben? Selten. Das eigene Team zu kritisieren, die Fehler bei sich zu suchen – sowohl bei Funktionären und Fans ist das keine verbreitete Tugend, man möchte ja kein Nestbeschmutzer sein. Also drischt man mit allem was man hat auf den Schiedsrichter ein. Der kann sich kaum wehren, da erhält man den Applaus der breiten Masse, von denen einige noch nie ein Regelbuch von innen gesehen haben und muss sich nicht selbstkritisch hinterfragen. Die Steigerung ist dann, einen Schiedsrichter schon im Vorfeld schlecht zu reden, sich quasi schon vor Spielbeginn die Ausrede bereitgelegt zu haben.

Schiedsrichter entscheiden keine Serien

Über sieben Spiele mit wechselnden Schiedsrichtern entscheidet dieser keine Serie. Spielen beide Mannschaften gutes und sauberes Eishockey, dann hat es der Schiedsrichter leicht. Versucht man seine eigenen Schwächen zu kaschieren, indem man über den Schiedsrichter schimpft, dann muss man sich genau hier hinterfragen. Spieler. Trainer. Fans. Wir alle. Setzen wir die Prioritäten doch wieder richtig: Reden wir wieder über Tore, Hits und Saves. Lassen wir den Schiedsrichter seinen Job machen, konzentrieren wir uns auf unser Team und beschwören wir nicht schon Tage im Voraus beim Blick auf die Einteilung den Weltuntergang herauf. Die meisten Schiedsrichter sind deutlich besser als ihr Ruf.


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8 Kommentare »

  • Kremer Andreas said:

    Das ist die ESBG und der DEB doch selber schult denn das mit der Süd Mafia ist so nur das der Nodensich entlich mal wert ich bin davon überzeugt das die schiris anweisungen haben gegen denn Norden zupfeifen

  • Hans Dieter said:

    Ich bin überzeugt davon, dass du keine Rechtschreibprüfung o. ä. hast.

  • Joe said:

    Auf den Schiri zu schimpfen ist längst ein Mantra geworden, dass die meisten rountineartig nach dem Spiel runterleiern.
    Wenn man im Stadion ist wird bei jeder größeren Berührung von vielen Heimfans Zeter und Mordio gerufen und dann heißt es immer noch so schön vor und nach den Spielen, dass die Schiris in der Liga zuviel pfeifen. Die meisten Leute wissen doch gar nicht was sie eigentlich wollen.
    Dass die Schiedsrichterausbildung verbesserungswürdig ist will ich dabei gar nicht abstreiten. Trotzdem ist Respekt gegenüber Schiris ebenso wie Spielern und anderen Fans doch das mindeste was man erwarten kann. Irgendwie verstärkt sich der Trend immer mehr, dass sich “Fans” vor dem Spiel das Benehmen aus- und dafür das Trikot anziehen.

  • #85 said:

    Starting6 spricht mir aus der Seele.

    Ich als Eishockeyfan will ich schöne Tore, gute Saves und ganz fette (saubere) Checks sehen. Zur Not klatsche ich auch für einen (sauberen!) harten Check gegen mein Team. Das gibts hier in Deutschland viel zu wenig. Alles wünscht dem checkenden Spieler und dem Schiedsrichter gleich die Pest an den Hals. Die Fans hier in Deutschland sind einfach so stark mit ihren Teams verbunden, dass sie nicht mehr in der Lage sind ein bisschen Objektivität walten zu lassen. Zum Teil liegt das u. a. daran, dass ein Großteil der Zuschauer, auch wenn einige schon seit 20 Jahren zum Eishockey gehen, die Regeln nur rudimentär kennt.
    Vielleicht sollten vor den Spielen und in den Drittelpausen ein paar einheitliche Videos eingespielt werden, welche die Zuschauer besser mit dem Regelwerk vertraut machen. Am Rande kann man sicher auch mal Abseits oder Icing erklären, aber diese Regeln sind fast jedem bekannt. Interessanter wird es für viele wenn es um korrekte und nicht korrekte Checks geht. Wann wird eine Schlägerei abgebrochen, warum wird ein Tor nicht gegeben, etc. Genau hier liegen die großen Defizite in der Regelkunde.
    Vermutlich wären viele Fans dankbar für diese Unterstützung.

    An dieser Stelle möchte ich auch noch ein Lob für das Interview mit Felix Winnekens aussprechen. Es behandelt genau diese Probleme.

  • Gerhard said:

    DANKE an Startin6 ,

    als SR-Obmann des DEB kann man zu so einer Stellungnahme nur gratulieren.

    Wir haben diese Jahr 30 Internationale Einsätze ,
    fast 50 Austauschspiele
    nur der Prophet im eigenen Lande ist manchmal nichts wert !

    Vorschläge zur weiteren Verbesserung der Ausbildung nehmen wir dankend an,
    was aber viel wichtiger wäre ,
    das WERBEN für neue Schiesrichter ,
    bei den ständigen Angriffen werden wir niemals eine Breite haben ,
    die wir aber bräuchten !

  • Olaf said:

    Also ich habe, in den Play Off Spielen der Oberliga, mit Rosenheimer Beteiligung, fast ausschliesslich sehr gute Schiedsrichterentscheidungen gesehen. Auffallend für mich war, dass zwar die Gangart, wie es in Play Offs zun mal üblich ist, härter war, jedoch auch sehr viel laufen gelassen wurde. Das konnte man in der Hauptrunde nicht grade behaupten. Für diese Leistungen wurde auch mit Lob nicht gespart. Man hatte nie den Eindruck, dass die Schiris im Mittelpunkt standen, sondern immer das jeweilige Eishockeyspiel. So muss das sein.
    Wir alle haben scherzhaft gemeint, die Refs hätten wohl ebenfalls die Olympiade geschaut!
    Bitte so weitermachen!

  • Uwe said:

    Also ich kann die Aussagen voll und ganz bestätigen und finde mich zu 100% wieder. Was bei den Offiziellen der Steelers ablief gehört in eine Seifenoper aber nicht zum Profi-Eishockey.
    Leider gibt es in ALLEN Fanslagern jede Menge geistig minderbemittelte Fans welche da richtig gehend danach suchen auf die Schiris einzuschlagen. Meiner Erfahrung nach pfeifen die Jungs nicht schlecht, aber es gibt immer wieder zweifelhafte Entscheidungen. Wenn sich diese innerhalb einer Begegnung gegen die eigene Mannschaft häufen bekommt man natürlich ein schlechtes Bild vom Schiri. Aber: hat sich schon mal ein Fan dessen Mannschaft “bevorzugt” wurde beklagt?? Glaube nicht! Wichtig wäre für die Fans sich mal mit dem Regelwerk auseinander zu setzen – dann versteht man auch mal was “die Pfeife da zusammenpfeift”. In diesem Sinne weiterhin schöne Play-Offs!
    Let’s go Wild Wings let’s go!

  • AndiR said:

    Ich seh den Artikel eher gemischt.
    Klar sollten Emotionen vorher nicht hochkochen, aber was die Leistungen mancher 2. Liga Schiedsrichter angeht, kann ich das sogar verstehen.

    Da wird die Linie im Spiel von ganz hart auf gar nicht pfeifen geändert, dann darf eine Manschaft sich beschweren, die andere nicht usw.

    Ich habe in den letzten Jahren Schiedsrichter gesehen, die gut waren, aber ich sehe auch ständig die Schiedsrichter die mit zweierlei Maß messen und zum Teil haarsträubende Sachen pfeifen oder auch nicht!
    Wären diese Schiedsrichter Spieler, würden sie rein von der Fehlerzahlt her nicht in der 2. Liga spielen.

    Zu meiner Zeit als Fussballschiri gab es Beobachter, da hab ich mir in der Bezirksliga einiges Anhören müssen, da wird im Eishockey drüber weggesehen.

    Noch schlimmer, selbst im Videobeweis nach einem Spiel vertreten Schiedsrichter im Eishockey sogar ihre Fehlentscheidungen, wie ich aus guten Quellen weiß.

    Vielleicht sollte sich die ESBG endlich mal der Kritik annehmen, Spiele fair ansetzen und schwache Schiedsrichter absteigen lassen!

    Aber wir Fans sind ja die Bösen die nur meckern und eh keine Ahnung von Regeln und deren Auslegungen haben.

    Und da wundert man sich über Zuschauerrückgang.

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